Weibliche Komposition – Kunstwerk des Monats Februar 2006
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Eine Torso-Skulptur als Inbegriff der Weiblichkeit
Im Monat Februar 2006 stellen wir als Kunstwerk des Monats eine Skulptur des Bildhauers Walter Grill (* 1937 Altrohlau bei Karlsbad), München/Rottenbuch, vor. Das Werk trägt die Bezeichnung Weibliche Komposition, 1976, Bronze, 49 x 46 cm. Es ist eine Leihgabe des Museums Ostdeutsche Galerie Regensburg, nun KUNSTFORUM REGENSBURG.
Das in der frühen Schaffensperiode des Künstlers kurz nach seinem Studium an der Kunstakademie entstandene Werk ist wohl in dem Stil des englischen Bildhauers Henry Moore (1896-1986) entstanden. Für die Entwicklung seines Stils waren die Kunst der Naturvölker und die archaische Kunst sowie seine eigene Naturverbundenheit von Bedeutung. Die Naturformen werden dabei stark vereinfacht und auf das Wesentliche zurückgeführt.
Die Weibliche Komposition lässt einen weiblichen Körper erkennen, der durch Weglassen der Extremitäten einem Torso gleich kommt. Der Kopf ist aus zwei runden Schalen zusammengesetzt und dadurch zu identifizieren, weil sich dieser als kleine Kugel von der anderen Körpermasse abhebt. Insgesamt strahlt die Skulptur, obwohl sie stark reduziert ist, eine ausgebildete Fülligkeit aus. Sie erzeugt Assoziationen zu typisch weiblichen Formen. So ist der dem Oberkörper ähnliche Teil, auf dem das kopfartige Gebilde sitzt, einer Brust ähnlich. An ihr ist an einer Seite ein abgewinkeltes Teil, einen Arm andeutend, angesetzt. Die daran anschließende untere Zone des Torsos (auf dem Foto links) besteht aus drei ebenfalls kugelartigen Teilen. Sie sind so geformt wie Beinstümpfe und ein ausladendes Becken. Die völlig glatte Oberfläche der Bronze schillert in der Farbigkeit, die der Bronze eigen ist. In diese Bronzefarbe sind dunkle oberflächliche Flecken eingemischt. Auf Zufälliges und Individuelles wird zugunsten des Allgemeingültigen, Grundsätzlichen und Typischen des Inbegriffs von Weiblichkeit verzichtet. Durch die barock anmutende Fülligkeit wird das Weibliche des Torsos unterstrichen.
Die Darstellung des nackten Körpers, der Akt, ist eines der ältesten und faszinierendsten Motive der Bildenden Kunst. Von der Rolle des antikisierenden Ideals oder des passiven Modells für christliche und mythologische Themen befreit erlebt die Darstellung des nackten Körpers als Motiv der Kunst des 20. Jahrhunderts eine bis dahin ungeahnte differenzierte Erweiterung ihrer inhaltlichen und formalen Ausdrucksmöglichkeiten. Das Motiv gibt die unerschöpflichen Möglichkeiten, die Sicht des Menschen auf sich selbst, seine Ideale, Ängste, Hoffnungen und Träume darzustellen. In dem gleichen Maß wie der körperlich arbeitende Mensch im 20. Jahrhundert durch die Übertragung der Arbeit auf die Maschinen an Bedeutung verliert, avanciert der Körper in der Kunst zu einem zentralen Thema. Die Künstler suchen nach immer neuen Ausdrucksformen, die sich mit dem Körper in den verschiedenen Kontexten befassen. So entstehen von Walter Grill mit ähnlichen kugelartigen Elementen weitere Werke, die weibliche Torsos darstellen: Weibliche Komposition II, 1977, Zwei, 1977, Sitzende Komposition, 1977 und 1982, Weibliche Komposition III, 1983, Vereinigung, 1984. Das Experimentieren mit derartigen Formen begann bei Walter Grill bereits in seiner Studienzeit mit zwei Kompositionen mit der Bezeichnung Entfaltung, 1970 und 1971. Mit anderen Formelementen und anderem Material wird das Motiv bei Walter Grill 1988 bei den Skulpturen Kleine Dreiergruppe und Sitzende Komposition IV wieder aufgegriffen. Ferner entstehen 1990 ebenfalls aus Kugelformen zwei Skulpturen vor der Justizvollzugsanstalt in Neuburg a. d. Donau. In 1992 wird in einem Bronzeguss mit der Bezeichnung Miteinander-Füreinander das Motiv des menschlichen Körpers wieder aufgenommen.
Walter Grill übersiedelt nach seiner Vertreibung aus Altrohlau 1946 mit seinen Eltern zunächst nach Holzhausen am Ammersee. Seine künstlerische Entwicklung verdankt er zu einem wichtigen Teil dem dort bis 1950 lebenden Maler und Zeichner Eduard Thöny, der vor allem als Mitarbeiter des „Simplicissimus“ bekannt geworden war. 1951/2 folgt eine Ausbildung als Steinmetz und Steinbildhauer in München. 1961 bis 1964 dann Besuch der Meisterschule für Steinmetze und Steinbildhauer und anschließend eine Mitarbeit im Natursteinbetrieb in München. 1966 bis 1972 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München und Meisterschüler und Privatassistent bei Professor Brenninger, mit dem er zahlreiche Werke ausführt. In 1968 bis 1874 entwirft er fünf Brunnen für die Stadt München. Seit 1972 freischaffender Bildhauer. 1980 bis 1983 Aufbau seines Ateliers im Klosterhof Rottenbuch mit Restaurierung des Baudenkmals von 1763.
1979 erhält Walter Grill den Förderpreis zum Lovis-Corinth-Preis, 1984 den Seerosenpreis der Stadt München, 1990 den Sudetendeutschen Kulturpreis für Bildende Kunst und Architektur. Er gewinnt zahlreiche Wettbewerbe zur künstlerischen Gestaltung von öffentlichen Gebäuden in Bayern und wird mit ihrer Ausführung beauftragt. Seit 1979 erhält der Künstler zahlreiche Einzelausstellungen, so u. a. 1975 im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz, 1976 Killesberg Stuttgart, 1978 Bayerische Versicherungskammer München, 1979 Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg, 1984 in Mühlheim/Ruhr, Höxter-Corvey, Solingen und Esslingen, 1985 in der Bayerischen Vertretung in Bonn und im Haus der Kunst in München, 1989 in Schongau und Rosenheim, 1990 im Kursanatorium Thermal in Karlsbad und im Tschechischen Nationalmuseum in Prag, in 2001 in der Galerie Amaryllis und im Goethe-Institut in Brüssel, 2004 in der Bayerischen Landesbank München. Der Künstler war außerdem mit Werken an zahlreichen Ausstellungen beteiligt, u. a. in Tokio, Sofia, Pilsen, Zürich, Wien, Straßburg und Bozen sowie bei den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München.
Walter Grill ist Mitglied im Vorstand der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft, Mitglied der Ausstellungsleitung (1985 – 1990) und Mitglied des Vorstands der Ausstellungsleitung (1988-1990) des Hauses der Kunst München und Mitglied des künstlerischen Beirats des Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg.
Hans-Achaz v. Lindenfels