Verbranntes Gesicht – Kunstwerk des Monats Juni 2002
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Bedrohung der menschlichen Gesellschaft
Die Kleinplastik Verbranntes Gesicht, 1999, Bronze, Höhe 15,5 cm, des Grafikers, Malers und Bildhauers Josef Walter Hermann entspricht den wesentlichen Merkmalen des kreativen Wirkens dieses Künstlers: Reduzierung der Formen und Rückführung des Dargestellten auf das Wesentliche. In der Plastik wird das menschliche Antlitz auf die Form der Maske zurückgeführt. Das Gesicht wird dargestellt unter völligem Verzicht auf individuelle Züge. Die Augen sind nur noch Aussparungen im Material und erscheinen als durchsichtige Augenhöhlen. Der Mund ist nur noch eine Einkerbung in der Kopfform. Die Nase ist in einer spitz zulaufenden Erhebung angedeutet. Der Umriss des Schädels ist unregelmäßig , wirkt zerklüftet und rissig. Assoziationen zu Totenmasken und archaischen Totenkulten werden geweckt. Dennoch wird der Eindruck deutlich, das menschliche Antlitz ist von gewaltsamen und zerstörerischen Kräften, vom verzehrenden Feuer, verunstaltet, zerstört. Was von dieser Zerstörung übrig bleibt ist nur noch eine menschliche Maske.
Mit dieser Aussage hat das Kunstwerk des Monats einen hoch aktuellen Bezug, den der Künstler selbst im Jahr des Entstehens seines Werkes nicht ahnen konnte. Es war eher die Beschäftigung mit der Vergangenheit, was Josef Walter Hermann bewegte sein Verbranntes Gesicht zu schaffen. Das Erlebnis des Krieges und der Vertreibung aus der Heimat, das seine Eltern geprägt hatte, war ein Anliegen. Die Möglichkeit dieses Erleben in einer Kunstgalerie der modernen Kunst darzustellen, war die Triebfeder für die künstlerische Verarbeitung. Es sollte gleichzeitig symbolisieren, dass die Menschen aus dem schrecklichen Erleben nichts oder nicht viel gelernt haben und weiterhin auf der Erde Krieg und Vertreibung stattfindet. Die Maske bringt auch das Wissen um die zerstörerische Wirkung der Gewalt zum Ausdruck. Dieses Wissen hat mit den welterschütternden Ereignissen in Afghanistan und am 11.September 2001eine dramatische Aktualität. Es wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Symbol für die Bedrohung der menschlichen Gesellschaft. Damit stellt sie auch eine Verbindung zu einem der Generalthemen des Künstlers, der Apokalypse, her. Zugleich ist das Kunstwerk einem der Generalthemen der Egerländer Kunstgalerie, dem menschlichen Leiden, einzuordnen.
Josef Walter Hermann wird 1948 in Nenderoth im Westerwald geboren. Seine Eltern stammen aus Karlsbad und werden in 1946 aus ihrer Heimat vertrieben. 1953 zieht die Familie nach Herborn im Lahn-Dill-Kreis. Nach Schule und Lehre studiert Hermann 1966 – 71an der Werkkunstschule und Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. In 1969 richtet sich der Künstler seine erste Lithographie-Werkstatt in Herborn. In den Jahren 1969/71 ermöglicht ein Mäzen einen mehrjährigen Aufenthalt auf der ost-friesischen Insel Baltrum. Dort wird er zu dem fünfteiligen Zyklus Baltrum inspiriert. 1971 wird er nach Abschluss seines Studiums als freischaffender Künstler tätig und erhält seinen ersten Auftrag. 1974 richtet er sich eine weitere Werkstatt in der Altstadt von Herborn und 1976 eine in Herborn-Amberg ein. 1984 wird ihm der Internationale Sennefelder-Preis in Offenbach am Main verliehen. 1987 wirkt er in die Jury für diesen Preis berufen. Ab 1989 arbeitet er in der Volkshochschule und der Akademie des Lahn-Dill-Kreises als Dozent mit. 1997 veröffentlicht er sein erstes lithographisches Werksverzeichnis. Im Jahr 2000 ist seinem lithographischen Werk eine Einzelausstellung im Grafik-Kabinett der Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz gewidmet.
Josef Walter Hermann lebt und arbeitet in Herborn. Zentrale Themen sind Mensch, Psyche und Apokalypse. Seine Grundsymbolik bildet sich aus archaischen Urformen. In der kreativen Auseinandersetzung mit dem menschlichen Kopf und seinem Gesicht Wird die Vereinfachung bis zu nahezu geometrischen Formen getrieben. Angeregt durch die alemannische Fastnacht entstehen daraus Anklänge an Masken. Diese Tendenz verfestigt sich in den grafischen und malerischen Werken wie auch in den Skulpturen. In der Grafik und Malerei entsteht eine Symbolsprache, deren Entschlüsselung in der christlichen Ikonografie zu suchen ist. Davon gibt das Gemälde des Künstlers, das in der Schausammlung der Kunstgalerie präsentiert wird und den Titel Reliquar II trägt, Auskunft. Die Kleinplastik Verbrannte Maske hat der Künstler der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz, ebenso wie das Gemälde, gestiftet.
HAvL