Sprechender Baum – Kunstwerk des Monats Januar 2003
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Geheimnis der Bäume und des Waldes
Als Kunstwerk des Monats Januar 2003 stellen wir das Gemälde Sprechender
Baum, 1966, Öl auf Leinwand, 80 x 60 cm des Malers Maximilian Hüttisch vor.
Das Gemälde gehört zu einer Reihe von Werken, in denen es der Künstler unternimmt, in fast bizarren Formen und in intensiven Farbkombinationen transzendente Erscheinungen darzustellen. So kennen wir außer dem wieder gegebenen Werk Tanz der Berggeister und Gespenster sprengen kubische Formen als einprägsame Beispiele.
Bei Sprechender Baum besteht die Farbenkombination in einer Mischung von fließendem Blau und kräftigem Rostrot sowie einem Gemenge aus Schwarz Grau und Braun. Dieses Schwarz-Grau-Braun beherrscht das Gemälde und verleiht ihm eine Stimmung, wie sie im Wald mit seinem Erdton typisch ist. In dieses Farbengemisch sind Formen des menschlichen Antlitzes hinein komponiert. So nimmt der Betrachter an der linken Seite des Gemäldes ein Gesicht im Profil mit Haaren, Augen, Nase und Mund wahr, das auf einem geschrumpften Körper ruht, von dem nach unten Stützen abgehen, die menschlichen Beinen und Füßen ähneln. In der Mitte des Bildes und in einem Teil der rechten Hälfte ist in ähnlicher Weise ein weiteres Gesicht en face dargestellt, das ebenfalls auf einem kurzen, einem Körper ähnelnden Gebilde sitzt, der von zwei Beinen ähnlichen Stangen ruht. Zum rechten Rand des Bildes hin und als Hintergrund des Gebildes entwickelt sich das Blau, durchsetzt mit Farbfetzen aus dem Schwarzbraun, und fügt sich zu einem das Bild prägenden Farbteppich zusammen. Die beiden menschen-ähnlichen Gebilde stehen auf einem Grund, der unten am Bildrand durch Formen in Braun und Rostrot gebildet wird. Sie sind mit Rinden und Ästen vergleichbar. An der rechten unteren Ecke des Bildes sind die Äste und Rinden wie eine menschliche Hand ausgeformt.
In der durch die Farben und die fast bizarren Formen vorgegebenen Stimmung eines Waldes sind auf diese Weise in Form von Bäumen menschliche Gestalten
implantiert. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, weil in beiden, einem Antlitz ähnlichen Gebilden, vor allem die Nasen- und Mundpartien erkennbar sind. Sie sind so geformt, dass der Eindruck entsteht, als ob das Gebilde links im Bild spricht und das Gebilde in der Mitte zuhört. Der Betrachter erinnert sich an die Geräusche im Wald, die wie ein Ächzen und Stöhnen der Bäume klingen und eine Kommunikation der Bäume untereinander und mit den Lebewesen im Wald vermuten lassen. Sie sind zu hören und dennoch wirken sie, wie wenn sie eine übernatürliche Erscheinung wären.
So regt das Werk des Künstlers dazu an, über die Geheimnisse des Waldes und der Natur nachzudenken, sich gefangen nehmen zu lassen von den Farben und Formen der Natur und von dem, was uns die Bäume zu sagen haben. Der Künstler hat in seinen Werken einen eigenen Stil entwickelt. In seinen Zeichnungen ist das Flair der dargestellten Städte eingefangen. Seine Porträts zeigen das Schicksal der dargestellten Menschen. In seinen Gemälden gelingt es ihm, das Realistische zu überwinden und das Transzendente einzufangen.
Der freie malerische Duktus des Künstlers, Form- und Farbübersteigerungen verweisen auf die Nähe zu Expressionisten wie Ludwig Meidner und Oskar Kokoschka
Maximilian Hüttisch ist 1911 in St. Joachimsthal geboren. Nach einer Lehre als Porzellanmaler, Graveur und Musterzeichner besucht er die Staatsfachschule für Porzellanmacher in Karlsbad und anschließend die Höhere Kunstgewerbe- schule in Prag. Dort studiert er an der Kunstakademie und wird Meisterschüler von Professor Nowak. Bei Oskar Kokoschka besucht er Abendseminare. Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit ist Hüttisch von 1939 an dann im Schuldienst in Asch und in Prag tätig und leitet Lehrgänge für bildende und angewandte Kunst.
1942 wird er zum Militärdienst eingezogen. Mit der Vertreibung verliert er sein gesamtes bis dahin entstandenes künstlerisches Werk.
Nach der Vertreibung kommt er nach München und beginnt erneut mit freiberuflicher Tätigkeit neben einer Anstellung beim Münchner Stadtanzeiger. Er bietet dann an der Volkshochschule München Kurse für angewandte und bildende Kunst an. Er ist dann Kunsterzieher am Gymnasium in Alsfeld in Hessen behält aber sein Atelier in München. Es entstehen in dieser Zeit vor allem Federzeichnungen mit heimatlichen Motiven, aber auch zahlreiche Städteansichten und Porträts. Mit breiter Pinselführung, surrealen, mythischen und mystischen Elementen bannt der Künstler die uralten Ängste und Sehnsüchte, die den aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts immer noch bewegen, auf die Leinwand.
Hüttisch beteiligt sich an Ausstellungen in der Tschechoslowakei, in Deutschland und Österreich, dann in Mittelengland, Dänemark und Frankreich, sowie in Italien und in den USA. Hüttisch erhält vor allem mit seinem zeichnerischen Werk Anerkennung, was durch die ihm verliehnen Preise belegt wird: Insignien-Preis der Karlsuniversität Prag (1937), Preis der Prager Kunstakademie (1939), Gran Premio della Citta Eterna Roma (1972), Goldene Palme der Schönen Künste (1976), Medaille des Grand Prix Humanitaire de France (1977), Plakette der Seliger-Gemeinde (1981), Ehrenbürgerschaft der Stadt St. Joachimsthal.
Maximilian Hüttisch verstirbt 1988 in München.
Das Kunstwerk des Monats ist eine Leihgabe der Witwe des Künstler, Gisela Hüttisch, München.
Hans-Achaz v. Lindenfels