Dein Freund, der Baum – Skulpturen von Andreas Kuhnlein
EGERLÄNDER KUNSTGALERIE MARKTREDWITZ
Kunstausstellung der Egerländer Kunstgalerie
“Mein Freund, der Baum” Skulpturen von Andreas Kuhnlein
Vom 12. März 2011 bis 25. April 2011
Bilder von der Eröffnung am 11. März 2011
Über die Fastenzeit möchte die Egerländer Kunstgalerie zu einer besonderen Ausstellung mit besinnlichem Charakter einladen. Sie richtet sich nicht nur an Kunstliebhaber, sondern auch an Menschen, die sich gerne eine Auszeit vom Alltag gönnen.
Er ist ein Sinnbild für das Leben. Ob er einzeln in der Landschaft steht oder in Gemeinschaft mit anderen, der Baum bleibt immer einzigartig und doch Teil eines Ganzen. Darin spiegeln sich Aspekte des Menschseins wider. Der Baum verkörpert in besonderer Weise den wiederkehrenden Jahreskreis und den persönlichen Lebensprozess. Wachsen, Grünen und Früchte tragen sind Bilder für das Leben. Das Abfallen der Blätter deutet auf Sterben und Tod hin. Das Wiederaufsteigen der Säfte und die Knospen erinnern an Auferstehung. So sieht das Christentum im Baum ein Symbol für Tod und Auferstehung. Für Andreas Kuhnlein ist der Baum das Thema seines Lebens und seiner Kunst. Er betrachtet den Baum als wesenhafte Erscheinung und Synonym für den Menschen. Harthölzern von toten oder entwurzelten Bäumen entlockt er ein Menschenbild, das geprägt ist von Verletzlichkeit und Vergänglichkeit. Ein Baum mit seinen Jahresringen trägt die verflossene Zeit ebenso in sich wie ein menschliches Antlitz.
„Erwartung“, Ulme, 170 x 37 x 30 cm
Kuhnleins lebensgroße Skulpturen aus Eiche, Ulme oder Esche sprechen Bände:
„Ein Kind kann man kaum anders darstellen als lieb, aber eine neunzigjährige Frau ist wie ein Krimi.“ Gesichts- und Körperlandschaften thematisiert der Künstler in verschiedenen Werkgruppen. Dem meisterhaften Gebrauch der Kettensäge verdanken sich seine subtilen Häutungen. Er belässt das Holz bei seiner natürlichen Struktur und Konsistenz. Die feinen, mitunter absonderlichen Wahrheiten menschlicher Existenz und Moral „verpflanzt“ der Künstler in den Baumstamm. Die zentrale Figur in der Ausstellung ist das „Haupt Christi“. Die anderen Themen tragen archaischen Charakter, obwohl sie heute noch ihre Gültigkeit besitzen: „Ohnmacht“, „Auszeit“, „Rückblick“, „Erwartung“ und Zyklus mit „Stationen des Lebens“. Letztendlich geht es Andreas Kuhnlein um das Bild des Menschen: nachdenklich, traurig, meditativ oder hoffnungsvoll aufbrechend.
Zyklus „Stationen des Lebens“, Eiche:
Kind (93 x 55 x 31cm)
Jugendlicher Mensch (123 x 58 x 35cm)
Erwachsener Mensch (130 x 70 x 34cm)
Alter Mensch (118 x 46 x 30cm)
Andreas Kuhnlein
lebt auf einem Bauernhof in Unterwössen im Landkreis Traunstein. Hier wurde er 1953 geboren. Er absolvierte eine Schreinerlehre, ging aber nach seinen Gesellenjahren zum Bundesgrenzschutz. Hier war Andeas Kuhnlein in den 1970er-Jahren in der Terrorbekämpfung eingesetzt. Er war beispielsweise mit der RAF oder der Schleyer-Entführung konfrontiert. Auch an der Grenze zur ehemaligen DDR bei Mödlareuth war Andreas Kuhnlein im Einsatz. So gesehen ist ihm der Nordosten Bayerns kein unbekanntes Land. Wie er mir sagte, machte Andreas Kuhnlein beim Bundesgrenzschutz seine Erfahrungen mit Gewalterlebnissen und mit menschlichen Schicksalen, was ihn nachhaltig prägte und künstlerisch beeinflusste.
1981 kündigte er die sichere Beamtenstelle, um die Landwirtschaft daheim zu übernehmen. Im Nebenerwerb arbeitete er wieder als Schreiner. 1983 begann er als freischaffender Künstler mit dem Schnitzen. Zunächst mit den klassischen Bildhauerwerkzeugen, die er für seine Holz- und Steinfiguren benötigte. Dabei entdeckte er sein Gefühl für Formen und Proportionen. Schließlich entschied er sich für den Werkstoff „Naturholz“ und die Kettensäge, was seinen künstlerischen Ambitionen voll entsprach. Damals ein wohl experimenteller, „exotischer“, und gewagter Weg, aber dafür ein ungeheuer reizvoller. Das große Problem war, wie er mir sagte, finanziell mit seiner Familie zu überleben und sich gleichzeitig als Künstler weiter zu entwickeln. „Ich bin Autodidakt und habe nicht den klassischen Weg des Künstlers über die Akademie gemacht“. Dies ist insofern von Bedeutung, weil Andreas Kuhnlein mittlerweile zu den bedeutendsten deutschen Holzbildhauern der Gegenwart zu rechnen ist.
„Auszeit“, Ulme, 106 x 37 x 34 cm
Seine Ausstellungen
In über 130 Einzelausstellungen, sowie mehr als 120 Ausstellungsbeteiligungen waren seine Werke in folgenden Ländern zu sehen: Deutschland, Österreich, Ungarn, Kroatien, Serbien, Italien, Schweiz, Niederlande, Spanien, England, Finnland, Südkorea, China, Kanada und USA. Zahlreiche seiner Skulpturen befinden sich im öffentlichen Raum, beispielsweise im Bayerischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, im Berliner Stadtmuseum, in der Dresdner Kathedrale, im Skulpturenmuseum „Beelden aan Zee“ in Den Haag (Niederlande), am Flughafen München, im Musée de la Civilisation in Quebec (Kanada) oder im Bendler Block in Berlin. Unter anderem wurde Andreas Kuhnlein 2005 eine Professur an der Kunstakademie in Luoyang (China) verliehen. 2009 war er Kulturpreisträger des Bezirks Oberbayern und erhielt 2010 den Ellinor Holland Kunstpreis. Andreas Kuhnlein war als Künstler an bedeutenden Landesausstellungen beteiligt: 2001 übernahm er die künstlerische Gestaltung der Begleitausstellung zur Europaratausstellung Otto der Große in Magdeburg. Insgesamt fertigte er dafür 30 Skulpturen. Im Rahmenprogramm der Landesaustellung in Sachsen-Anhalt 2006 mit dem Thema Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation errichtete Kuhnlein an zehn Erinnerungsorten Skulpturen historischer Persönlichkeiten. Bekannt ist auch seine Version des Magdeburger Reiters, der seit 2002 im Kulturhistorischen Museum Magdeburg steht. Außerdem wurde ihm die künstlerische Begleitung für die Landesausstellungen 200 Jahre Franken in Bayern 2006 in Nürnberg und Aufbruch in die Gotik 2009 in Magdeburg übertragen.
„Haupt des Christus“, Ulme, 60 x 35 x 35 cm
Was ist Kuhnlein nicht?!
Die Methode, aus Holzstämmen mit der Motorsäge Figuren herauszuarbeiten, findet sich inzwischen vielerorts. Andreas Kuhnlein nimmt nicht an der Europameisterschaft mit Kettensägen teil. Totempfahl, Adler, oder Waldtiere und Vorgartenfiguren der vielfältigsten Art: Das liegt ihm beileibe fern. Speed-Carving nach amerikanischem oder kanadischem Vorbild auf Biomasse- oder Holztagen, das ist eine ganz andere „profane“ Liga, die man allenfalls noch mit Kunsthandwerk, Kunstgewerbe, meist aber mit Kitsch betiteln könnte.
„Ohnmacht“, Birke, 98 x 65 x 38 cb
Wer ist Andreas Kuhnlein und was ist sein Stil?
Kuhnleins Schaffen und Wirken ist tiefster Ausdruck seines Inneren. Der gesteigerte Ausdruck seiner Figuren ist es, warum man bei ihm die Nähe zum Expressionismus verspürt. Auch er möchte den Betrachter emotional ansprechen und innerlich erschüttern. Werkzeuge wie Motorsäge oder Flammenwerfer geben ihm die Möglichkeit, den inneren Druck nach außen zu lenken. Der Bildhauer arbeitet nur im Freien, ohne Entwurfsskizze oder Modell, am liebsten an kalten Wintertagen. Das Sommerhalbjahr ist bei Kuhnlein für Ausstellungen reserviert. Nach getaner Arbeit und Fertigstellung der Figur ist es ihm ein inneres Bedürfnis, den Holzplatz aufzuräumen, also das Restholz und die Abfälle zur weiteren Verwertung als Brennholz aufzustapeln. „Es ist eine meditative Nacharbeit, die ich am Ende machen muss, genauso wie ein Sportler, für den nach dem Wettkampf das „Auslaufen“ eine Pflichtübung ist.
Kuhnlein muss schaffen, nicht der Kunst wegen, sondern seiner selbst wegen. Ihn leitet sozusagen ein innerer Schaffensdrang. Dabei erhalten seine Werke eine außergewöhnliche, nicht kopierbare Note. Jede Skulptur ist ein Unikat und drückt nicht nur sein Innenleben aus, sondern sie ist zudem ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die Einzigartigkeit von Kuhnleins Skulpturen liegt in der unnachahmlich geprägten Oberfläche. Diese erscheint aufgerissen und zerklüftet. Das ist es, was seinen Arbeiten Leben einhaucht und dem Künstler seinen individuellen und unverkennbaren Stil verleiht. So entstehen, wie er es selbst ausdrückt, „kräftige und bewusst ruppig gestaltete” Menschenbilder, Unikate allesamt. Es gleicht einem Kampf, wenn er dem Baum das „Fleisch“ bis auf das harte, skelettierte Kernholz abringt. Kaum zu glauben, dass eine Motorsäge Leichtigkeit erzeugen kann. Die Figuren wirken massiv und filigran zugleich, sie erscheinen geradezu zerbrechlich. Kaum jemand wagt sie anzufassen.
Kuhnlein über sich selbst: „Irgendwann ist mir klar geworden, dass die Idee, die du in einer bestimmten Skulptur zum Ausdruck bringen willst, nicht von den feinen Details abhängt, sondern durch die großen Linien bestimmt wird. Die Kettensäge zwingt dich, dass du dich auf das Wesentliche beschränkst. Du überträgst immer deine momentane Stimmung unmittelbar in dein Werk. Jeder Schnitt schafft unveränderliche Strukturen. Du spürst den Widerstand, den dir das harte Holz entgegensetzt und musst ihn dauernd überwinden. Das ist auch körperliche Schwerstarbeit“.
„Rückblick“, Ulme, 177 x 33 x 30 cm
Was schließen wir daraus? Welche Eigenschaften muss Andreas Kuhnlein als Künstler vorweisen?
- Körperliche und geistige Fitness, arbeiten bis zur Erschöpfung.
- Kunst und Krach schließen sich nicht aus. Man muss starke Nerven haben und dabei kreativ bleiben.
- Richtiges Equipment und Handling der gefährlichen Geräte.
- Ethische Leitlinie: Es werden nur Baumstämme verwendet, die nicht extra zur Gestaltung gefällt werden.
- Wissen über die Beschaffenheit des Baums, seines Holzes, seiner Maser.
- Dreidimensionales Vorstellungsvermögen und Feinfühligkeit, was die Übertragung der Fantasie und der Ideen auf den Baumstamm betrifft, unter dem Motto „In jedem Baum steckt eine Figur“.
Wenn man Andreas Kuhnlein mit wenigen Worten charakterisieren müsste, würde man sagen er ist ein „Virtuose der Kettensäge“.