Selbstbildnis Richard Fleißner – Kunstwerk des Monats Juni 2006
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Authentische Selbstdarstellung
Bei dem Kunstwerk, das wir im Monat Juni 2006 vorstellen, handelt es sich um das Selbstbildnis des Malers und Grafikers Richard Fleißner, das 1970 im Alter von 66 Jahren entstanden ist. Es ist als Kaltnadelradierung in der Größe von 42,0 x 29,8 gefertigt, und begrüßt den Besucher der Schausammlung in einem Druck am Eingang der Kunstgalerie. Das Kunstwerk wird nun gesondert in einer originalen Ausfertigung in dem oktogonalen Raum der Schausammlung gezeigt. Anlass für diese besondere Präsentation ist die Neuauflage eines Führers für die Schausammlung im siebenten Jahr des Bestehens der Egerländer Kunstgalerie, deren Entstehung diesem Künstler zu verdanken ist.
Bevor das Selbstbildnis als Kaltnadelradierung entstand, wurde es 1969 gezeichnet. Es rundet, worauf Susanne Florschütz im Katalog zur Großen Richard-Fleißner-Ausstellung im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg im Jahr 1991 hinweist, das künstlerische Schaffen des Künstlers der 1960er Jahre ab. In dem Selbstbildnis blickt der Künstler den Betrachter mit ähnlicher Entschlossenheit an, wie er das schon in dem Selbstbildnis von 1922 – erst 19 Jahr alt – getan hat. Der Künstler zeigt sich mit einer seitlichen Kopfneigung, die Sympathie vermittelt, in einem Brustbild. Der Kopf ist mit der Baskenmütze, die er wie ein Markenzeichen trägt, bedeckt. Die Augen sind von sehr kräftigen fast schwarzen Augenbrauen überwölbt. Der von ihnen ausgehende Blick, mit dem der Betrachter gefangen gehalten wird, beherrscht die Radierung. Die Falten und Furchen, die das Leben in das Gesicht des Künstlers eingewoben hat, werden mit kräftigen Strichen gezeigt. Der geschlossene Mund mit schmalen Lippen und das mit kräftiger Furche markante Kinn runden den ernsten Gesamteindruck des dargestellten Mannes ab. Mit der ausgeprägten Nase wird zugleich Kraft signalisiert. Der mit wenigen Strichen skizzierte Brustansatz rundet das Bild nach unten ab. Die Entschlossenheit und der Schwung, die das Bild kennzeichnen, werden in dem Schaffen des Künstlers in den 1970er Jahren umgesetzt. Es entstehen in dieser Zeit Zeichnungen und Drucke vom Wattenmeer, die einen beträchtlichen Teil seines Gesamtwerkes ausmachen und mit denen er an den Ausgangspunkt seiner künstlerischen Tätigkeit zurückkommt. Deshalb sind nun gleichzeitig die Blätter aus der berühmten Mappe mit den Zeichnungen des Wattenmeers, die als Zeichnungen auf tonigem Grund vom Künstler bezeichnet sind, in Vitrinen im oktogonalen Ausstellungsraum gezeigt.
Richard Fleißner ist am 4. April 19 03 in Tuschkau, Kreis Mies, geboren und 1989 in Gräfelfing bei München gestorben. Er ist Meisterschüler des berühmten Lehrers an der Kunst-Akademie in Prag August Brömse, der aus Franzensbad stammt und für den Aufbruch der Egerländer Künstler in die Moderne steht. Nach seinem Studium in Prag wirkt er an der Staatsfachschule in Gablonz und arbeitet als freischaffender Maler und Graphiker. Er nimmt seit 1926 an zahlreichen auch Internationalen Ausstellungen teil. Er erhält bereits 1923 den 1. Preis der Kunstakademie Prag und 1924 den Rompreis. Seit 1959 nimmt er regelmäßig an den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München teil.
1938 wird Fleißner von der Kunstkammer der Nazis gesperrt und 1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg darf er nach München übersiedeln, wo er bis zu seiner Pensionierung (1967) an der Deutschen Meisterschule für Mode und am Berufspädagogischen Institut wirkt. Ab 1957 übernimmt Fleißner bei der Künstlergilde Esslingen die Leitung der Abteilung für die Sudetendeutschen Künstler. 1967 erhält er den sudetendeutschen Anerkennungspreis für die bildende Kunst. In den sechziger Jahren unternimmt er Reisen nach Italien, in den siebziger Jahren Reisen nach Cuxhaven und an die Nordsee. Die Eindrücke dieser Reisen verarbeitet er als freischaffender Künstler, der er stets neben seiner Lehrtätigkeit geblieben ist. 1973 richtet das Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine Ausstellung zum 70. Geburtstag von Richard Fleißner aus. 1978 erhält er von der Künstlergilde Esslingen eine Einzelausstellung aus Anlass seines 75. Geburtstags.
1979 wird Professor Richard Fleißner von der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste zum ordentlichen Mitglied berufen. In den 1980er Jahren ist Fleißner wegen nachlassender Sehkraft gezwungen, seine künstlerische Tätigkeit einzustellen. Frau Gertrud Träger ordnet in dieser Zeit seine Kunstsammlung. 1981 vermacht er seine Kunstsammlung und sein Vermögen der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz mit der Auflage, eine Egerländer Kunstgalerie als eine Kunstsammlung der modernen Kunst zu errichten. 1983 findet im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz und im Haus der Heimat in Stuttgart eine große Einzelausstellung für Richard Fleißner statt. 1991 erhält er posthum eine große Einzelausstellung im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg, für die ein umfangreicher Katalog von Susanne Florschütz erstellt wird. 1993/94 erscheint das Buch WIR, in dem 18 sudetendeutsche Künstler, zu denen auch Fleißner gehört, dargestellt sind. 1999 wird nach Durchführung eines Erweiterungsbaus für das Egerland-Museum die Egerländer Kunstgalerie im Altbestand des Egerland-Kulturhauses in Marktredwitz eröffnet. Zu seinem 100. Geburtstag wird dem Künstler 2003 auch in Gablonz (Joblonec nad Nisou) eine Gedenkausstellung gewidmet.
Richard Fleißner äußerte sich über seinen Bezug zur Egerländer Heimat: „Meine Heimat ist das Fundament für mein persönliches Schaffen. Sie wirkt unbewusst als prägende Kraft in meiner künstlerischen Aussage weiter und zwar im Wesentlichen und nicht im Gegenständlichen“.
Hans-Achaz v. Lindenfels