Markt in Eger – Kunstwerk des Monats Oktober 2005
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Erinnernder Blick auf den Markt des alten Eger
Der Markt im alten Eger war in der Vergangenheit sehr oft Gegenstand künstlerischer Darstellungen. So gibt es vor allem von dem besonderen Charakteristikum des Marktes, der als Stöckl bezeichneten und den Markt prägenden Häusergruppe, Gemälde bzw. Holzschnitte und Radierungen von Franz Dietl (1892-1946), Eduard Puls (1874-1954), Walter Teschner (1879-1948), Carl Thiemann (1881-1966) und Hans Wohlrab (1905-1978). Das Kunstwerk des Monats ist ebenfalls eine Darstellung des Herzstücks von Eger mit dem Titel Markt in Eger, um 1960, Öl auf Leinwand, 88 x 118 cm, von dem Maler Helmut Glaßl (Schönbach/Bubenreuth). Es ist ein Exponat der Schausammlung für Erinnerungskunst aus dem Egerland, die im Zusammenhang mit der Kunstgalerie im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz besteht.
In der Bildmitte ist das Stöckl am unteren Markt dargestellt, das mit zwei Häusern dem Marktplatz von Eger zugewandt ist. Das rechte schmale und fünf Stockwerk hohe Haus zeichnet sich durch einfaches Fachwerk im fünften Stock und im Giebel unter dem Krüppelwalmdach aus. Im zweiten und dritten Stockwerk ragt ein mit drei Fenstern versehener Wohnerker, abgestützt von einer Steinsäule, über die Hausfront hinaus und gibt mit seinem fein gegliederten Fachwerk und seinem gewölbten Dach dem Haus insgesamt einen Schmuck, der das Haus im Gesamtbild des Marktplatzes zusätzlich zu seiner Höhe hervorhebt. Das links neben diesem Haus stehende breite Gebäude mit vier Fenstern in jedem der vier Stockwerke ist eher schmucklos. Es ist durch das enge Kramergäßchen, das im Bild angedeutet ist, von dem Nachbarhaus getrennt. Im Erdgeschoss sind Läden untergebracht, die mit Markisen gegenüber dem Marktplatz geschützt und zugleich hervorgehoben sind. Vor diesen Läden sind Personen dargestellt, die mit dem Einkauf beschäftigt sind und sich zum Teil auch auf dem Weg zu den anderen Läden auf den Seiten und rückwärts im Stöckl laufen. Im Hintergrund rechts überragen die zwei hohen Spitztürme und sechs Dachreiter der St. Niklaskirche die Häuserfront der Ostseite des Marktplatzes. Diese Häuserfront begrenzt die rechte Bildseite, in deren Mitte das Schirndinger Haus mit seinem markanten Ziergiebel zu erkennen ist. Es wird rechts und links von zwei dreigeschossigen Gebäuden und rechts von zwei viergeschossigen umrahmt. Das linke wuchtige Gebäude mit dem hohen Dach ist das Gablerhaus. Vor diesen Gebäuden sind drei große Marktstände mit weit ausschwingenden Planen aufgestellt und vor diesen sind Blumen und Obst zum Verkauf ausgelegt. Marktleute sind mit dem Dekorieren der Ware beschäftigt.
Die linke Bildseite wird begrenzt durch eine Baumgruppe, die westlich des Stöckls steht. Davor ist im Vordergrund ein freier Marktstand zu erkennen, dem ein Pferd, das an einem Heubüschel frisst, zugeordnet ist. Zur Bildmitte zu fährt ein mit einem Pferd bespanntes Fuhrwerk, dem eine Frauengestalt folgt. Vor dem linken Rand des Stöckls steht der Brunnen mit der als Wilder Mann bezeichneten Herkulesfigur. Den Hintergrund bilden Teile der hinteren Gebäude der Häusergruppe vom Stöckl und die Fassaden der Gebäude in der hinter dem Stöckl verlaufenden Straße. Hinter dem Stöckl lugt noch eine Spitze des Turms der Dominikanerkirche in den wolkenverhangenen Himmel, der nur über dem Markt selbst ein liebliches Blau zeigt. Den schwarzen Wolken entsprechend ist der untere Markt auch noch regennass, offenbar von einem gerade zu Ende gegangenen Regenguss. So laufen über den freien Platz nur vereinzelt Personen, einige in der braunen Egerländer Tracht und Frauen mit weißen Blusen.
Der Duktus des Gemäldes entspricht einer Verehrung des Künstlers an die alte Heimat. Mit seinen Bildern will er Stimmungen einfangen, wie sie in der Erinnerung der alten Egerer Bürger verklärt sind. Was er will, ist unschwer zu erkennen. Er will damit Botschafter der alten Heimat sein. Damit findet er gerne Zuspruch von allen, die Abbildungen suchen, um ihre Erinnerungen wach zu halten und sich an diesen zu erfreuen. Damit entstehen Idealisierungen, die gewünscht sind, jedoch mit der Realität nicht unbedingt konform gehen und auf ein Hinterfragen der Ereignisse verzichten. Damit unterscheiden sich die Exponate von der modernen Kunst, haben aber ihren besonderen Wert in der Kunst des Erinnerns, die für Heimatvertriebene wichtig ist.
Helmut Glaßl ist am 6. Juni 1930 in der berühmten Musik- und Geigenbauerstadt Schönbach, und konnte vor kurzem seinen 75. Geburtstag in seiner zweiten Heimat, in Bubenreuth, feiern. Sein Vater war in Schönbach in der Musikbranche tätig. Bereits in seiner Schulzeit wurde seine Begabung für die Malerei bemerkt und gefördert. Wegen des Krieges und der anschließenden Vertreibung aus der Heimat blieb der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung unerfüllt. Er fand dann im Zolldienst seinen beruflichen Werdegang, erkrankte aber in den Jahren 1953 bis 1956 so schwer, dass er aus dem Zolldienst ausscheiden musste. In dieser Zeit vertiefte er seine Kenntnisse in der Malerei im Selbststudium und arbeitete als erfolgreicher Autodidakt freischaffend seit 1958 in Bubenreuth. 1954 hatte er Hanni Buchner, ebenfalls aus Schönbach, in Bubenreuth geheiratet. 1956 wurde die Tochter Silvia geboren, die schwer körperbehindert aber künstlerisch sehr kreativ mit 21 Jahren verstarb. Glaßl erhielt mit seinen Werken zahlreiche Ausstellungen, so in Erlangen, Nürnberg, Fürth, Ansbach, Amberg, Neumarkt, Stuttgart, München, und Marktredwitz. Im Frühjahr 1988 erhielt er eine Jubiläumsausstellung im Rathaus in Bubenreuth und anschließend Ausstellungen in Bad Nauheim, Schirnding und Heppenheim und 1991 im historischen Rathaus Marktredwitz. Helmut Glaßl war jahrelang Vorstandsmitglied des Egerer Landtags e. V. Das Exponat fand 2002 Aufnahme in die Schausammlung für Erinnerungskunst im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz.
Hans-Achaz v. Lindenfels