Luzifer, sich krönend – Kunstwerk des Monats Februar 2003
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Mystischer Tanz
Die Kleinplastik Luzifer, sich krönend, 1953, Tanz des Harald Kreutzberg, Porzellan / Ausformung Rosenthal, Höhe 41 cm, ist eine der beiden Kleinplastiken von Waldemar Frisch, die in der Schausammlung der Egerländer Kunstgalerie gezeigt werden. In beiden Exponaten stellt der Künstler den Tänzer Harald Kreutzberg (*1902 Reichenberg + 1968 Muri bei Bern) dar. Harald Kreutzberg war wie die Münchnerin Gret Palucca ein berühmter Vertreter des Ausdruckstanzes. Kreutzberg und Palucca, beide Schüler der Begründerin dieser Tanzrichtung Mary Wigmann führten in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und in der Nachkriegszeit nach dem 2. Weltkrieg diese freie Form des Tanzes zu außer-gewöhnlichen Höhen. Wegen der in den Tänzen umgesetzten Themen und wegen seiner Ausdruckskraft wurde Harald Kreutzberg auch der „dämonische Tänzer“ genannt.
Der von Harald Kreutzberg dargestellte Luzifer gehört zu den mystischen Gestalten der römischen Götterwelt und zu den negativen Gestalten des christlichen Weltbilds. Für die Römer war Lucifer, als der Lichtbringer (der Morgenstern) der Sohn der Morgenröte (Aurora). Im christlichen Weltbild ist Lucifer mit dem Satan (dem Teufel) gleichgestellt, weil er mit dem Engel, der beim Sturz Babels in die Hölle stürzt, in Zusammenhang steht. So wird er als der Gegenspieler Gottes, der aber über Gott stehen will, zu einem Synonym des Bösen und zugleich des Überheblichen, der tief fällt.
Die Figur spiegelt die dem Tänzer eigene Konzentration und Präzision der Gesten wider. Der Tänzer windet sich mit seinem Körper in ganzer Größe nach oben. Er erhebt die Arme und formt über seinem Kopf mit den Händen etwas Wichtiges, das offensichtlich seinen Kopf krönen soll. Hinter dieser durch das gewählte Material, Porzellan, glatten Oberfläche kommt das Mystische, das vom Tänzer und seinen Gesten ausgeht, zum Vorschein. Die Luziferfigur bringt das Dämonische, das über sich und alle anderen, ja selbst über Gott hinauswachsen will, so zum Ausdruck, wie es der Tänzer in perfekter Weise mit seinen tänzerischen Mitteln darstellt.
Porzellan ist das Material, mit dem der Künstler Waldemar Fritsch vom Beginn seiner künstlerischen Arbeit an gestaltet. Sein Schaffen wird dabei von Bustelli und dem deutschen Rokoko beeinflusst. Seine Werke bekunden zugleich hohe Expressivität. Von scharfkantiger Strenge bis zur Fantastik bedient er sich unterschiedlicher Ausdrucksmittel, um das Innerste – die Seele seiner Schöpfungen – zu offenbaren. Dabei respektiert er vorgegeben Gesetzmäßigkeiten. Nach der Vertreibung entstehen in der Zusammenarbeit mit bedeutenden Porzellanfabriken und –Manufakturen Plastiken und Büsten aus unterschiedlichen Materialen. Außer mit Porzellan arbeitet er mit Bronze, Terrakotta, Steinzeug und Holz. Das Spektrum seiner Themen reicht vom Kinderporträt und von Büsten international bekannter Persönlichkeiten bis zum Religiösen und Mystischen.
Waldemar Fritsch wird 1902 in der Porzellan-Stadt Altrohlau als Sohn des letzten Fiakers von Karlsbad geboren. In 1924/25 macht er eine Ausbildung als Dreher und Modelleur in der Porzellanfabrik Viktoria in Altrohlau. Von 1926 bis 1929 lernt er in der Staatliche Porzellan-Fachschule in Karlsbad. Anschließend besucht er die Keram-Abteilung der Kunstgewerbeschule in Prag. 1931 erhält er ein Stipendium der Deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Künste in Prag. In den Jahren 1935 bis 1938 ist er als Assistent an der Staatsfachschule für Keramik und angewandtes Kunstgewerbe in Teplitz-Schönau tätig. Er arbeitet dann als Inspektor der sudetendeutschen Fach- und Kunstschulen und wird anschließend als Professor für Fachzeichnen und Plastik an die Staatliche Fachschule für Porzellan in Karlsbad berufen.
Mit dem Nazi-Regime gerät er in Konflikt, weil er sich den Bestrebungen zur Gleichschaltung in der Kunst widersetzt. 1942 erfolgt deshalb Inhaftierung und Berufsverbot durch die Reichskulturkammer. 1943 wird Waldemar Fritsch zur Wehrmacht eingezogen und macht Kriegsdienst bis zum Kriegsende. Nach der Vertreibung übersiedelt er 1946 nach Ansbach. Dort erhält er den Auftrag, die Tradition der ehemaligen Ansbacher Fayence-Manufaktur wieder zu beleben. Er leitet dann von 1949 bis 1953 die freie Kunstschule in Ansbach. Als frei schaffender Künstler arbeitet er mit den bedeutenden Porzellanfabriken zusammen, so auch mit der Porzellanfabrik Rosenthal AG in Selb, der Hutschenreuther AG in Selb und der Porzellanmanufaktur Fürstenberg. 1958 erhält er den Kunstföderpreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft. 1977 ehrt ihn die Stadt Ansbach mit ihrem Kunstpreis. Er stirbt 1978 in Ansbach.
Das Exponat wurde von der Rosenthal AG Selb zur Verfügung gestellt.
Hans-Achaz v. Lindenfels