Karaffe
“Geborgen und verborgen” – Oktober 2008
Eine Karlsbader Karaffe und die Glasschneidekunst im Egerland
„Glas aus dem Egerland“ ist ein weiträumiges Thema und eng mit dem Kurwesen verbunden. Karlsbad gilt als die älteste Kurstadt des sogenannten „Bäderdreiecks“. Der Sage nach wurden die heißen Quellen 1347 durch Kaiser Karl IV. bei einer Hirschjagd entdeckt. Kurze Zeit später entstand hier eine Siedlung, die 1370 Stadtrecht erhielt. Erste adelige Kurgäste sind bereits für das 15. Jahrhundert nachgewiesen. 1759 wurde die Stadt nach einem Großbrand neu aufgebaut. Die Bäderreise, ursprünglich ein Privileg adeliger Schichten, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem Statussymbol des aufstrebenden Bürgertums. Letztendlich setzte sich im 18. Jahrhundert die Trinkkur gegenüber der Badekur durch. Das wirkte sich gravierend auf die städtebauliche Entwicklung des Architekturtyps „Kurstadt“ aus. Weil die Ärzte das Trinken direkt an den Quellen empfahlen, wurden diese zu Brunnentempeln, Pavillons und Wandelhallen umgebaut. Ansichten dieser repräsentativen Bauten finden sich jetzt auf vielen Souvenir-Gegenständen wieder. Auch die Bade- und Andenkengläser wurden je nach Kaufkraft des Gastes mit Veduten, Architekturmotiven oder sogar mit figürlichen Szenen und Portraitdarstellungen verziert. Dabei muss festgehalten werden, dass Gläser dieser Art überwiegend in den Glashütten Nordböhmens geblasen und als „Halbware“ in die Badeorte geliefert wurden. Hier erfolgte vor Ort die Raffinierung, also die Verzierung der Hohlgläser mittels Glasschnitt und Gravur.
Üblicherweise wurde neben den typischen Badebechern in den Geschäften eine große Bandbreite von Gläsern angeboten. So bestand in dieser Zeit ein Gläserservice aus einer großen und kleinen Karaffe, Gläser für verschiedene Weinsorten, Punsch und Likör.
Karlsbader Glaskaraffe mit vier erhaben geschnittenen Medaillons. Sie zeigen verschiedene Brunnenanlagen aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Die hier vorgestellte Likörkaraffe stammt aus der Sammlung von Dr. Walter und Edita Becher, die vor einigen Jahren dem Egerland-Museum übereignet wurde. Das bauchige farblose Glasgefäß, das wohl im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Karlsbad entstand, verwandelte der Glasschneider zunächst durch den Formschliff in einen facettierten Gefäßkörper: Aus etwas Rundem wurde also etwas Eckiges. Ein ebenfalls facettierter Stöpsel dient als luftdichter Verschluss. Am plangeschliffenen Boden wurde mittels Keilschliff eine Rosette eingeschnitten. Durch den sogenannten Hochschliff brachte man an der bauchigen Wandung vier erhabene ovale Medaillons an. Sie zeigen auf rubinrotem Grund in Goldmalerei angelegte ortstypische Karlsbader Brunnenansichten mit den Aufschriften: „Mühl- und Neubrunn“, „Schloßbrunn“, „Sprudel in Karlsbad“ und „Marktbrunn“. Die Gefäßwandung besticht durch florale rotgebeizte Rankenmuster, die durch Gold-Emailmalerei erhöht wurden.
Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte der Souvenirhandel in den westböhmischen Bädern seinen Höhepunkt. Ob Mattoni, Pfeiffer, Hofmann oder Moser, um nur einige Karlsbader Glasschleifer zu nennen: Sie alle arbeiteten mit großem Erfolg an ihren Jagdstücken, Veduten, Wappen oder Schriftzügen, allerdings in den wenigsten Fällen an Portraits hochrangiger Persönlichkeiten. Dies sollte einem Dominik Biemann in Franzensbad vorbehalten bleiben, der dieses Genre in Perfektion beherrschte.