Hochwasser in Karlsbad im Jahr 1890

Thema des Monats Oktober 2002

Die Hochwasser-Katastrophe in Karlsbad im Jahr 1890

Hochwasser in Karlsbad im Jahr 1890

Anlässlich der jüngsten Überschwemmungs-Katastrophen, die in weiten Teilen Deutschlands verheerende Schäden angerichtet haben, widmet sich auch das Egerland-Museum mit einer historischen Rückschau ins 19. Jahrhundert diesem Thema.

Der Ausgangspunkt für die Betrachtung ist ein Album mit historische Fotografien, das sich im Archiv des Museums befindet: Es dokumentiert die große Überschwemmung, welche die Stadt Karlsbad am 24. November 1890 heimsuchte.

Der erste Eindruck beim Blättern durch dieses mehr als hundert Jahre alte Dokument ist überraschend; die Bilder von gestern und heute scheinen sich zu gleichen: Man sieht aufgerissenes Straßenpflaster, ein Wirrwarr von entwurzelten Bäumen, Rohren und umgerissenen Straßenlaternen und in den Eingängen der Häuser häufen sich Möbelteile, welche die Menschen aus ihren überfluteten Kellern nach oben befördert haben. Ähnliche Szenen gehören momentan zum „Alltag“ der Titelseiten der regionalen und überregionalen Tagespresse. Auch wenn die Dinge, die der Flut zum Opfer fallen, heute ganz andere sind, ist das Chaos und die Art der Zerstörung doch vergleichbar. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man zeitgenössische Berichte liest: Überschwemmungen treffen die Menschen gestern wie heute oft unvorbereitet und führen zum Verlust vieler Dinge, die man sich in mühsamer Arbeit erwirtschaftet hat.

Im Fall der Stadt Karlsbad begann die Geschichte der großen Überschwemmungen schon lange vor dem Jahr 1890. Die ersten dokumentierten Berichte in denen beschrieben wird, wie der Fluss Tepl zum reißenden Strom anschwillt, stammen aus dem 16. Jahrhundert. Am 9. Mai 1582 kam es laut mehrerer Zeitzeugenberichte[1] zu einer großen Überschwemmung in Karlsbad, bei der über 20 Menschen ums Leben kamen, sowie etliche Häuser und Brücken zerstört wurden.[2]

Weitere Hochwasser-Katastrophen ereigneten sich am 10. Februar 1636, als Karlsbad schon unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte, sowie in den Jahren 1655, 1763 und 1821.[3]

Sie alle erreichten jedoch nicht die Intensität des Hochwassers von 1890, bei der ein Pegelstand von 4,83m über Normal gemessen wurde. Die Ereignisse, welche sich während dieser Katastrophe abspielten, sollen im folgenden nachvollzogen werden.

In den Tagen vor der Überschwemmung kam es zu heftigen Regenfällen. Die Tepl war bereits angeschwollen und die Karlsbader Ladenbesitzer trafen schon am Sonntag den 23.November Vorkehrungen, um ihre Waren in Sicherheit zu bringen. Da jedoch niemand mit einem derart hohen Wasserstand gerechnet hatte, wurden viele Geschäftsleute am Morgen des 24.November von den plötzlich eindringenden Wassermassen derart überrascht, dass sie hilflos mit ansehen mussten, wie Ihre Waren buchstäblich davonschwammen. In der Schrift „Die große Ueberschwemmung von Karlsbad am 24. November 1890“[4] beschreibt der Hofbuchhändler Hans Keller die Situation:

„Da wurden die Gaskandelaber wie Streichhölzer geknickt, Ufermauern und Geländer umgeworfen, Thüren eingedrückt und alles, mochte es auch noch so solid befestigt gewesen sein, aus seinen Lagern losgerissen und weggeschwemmt, Brücken und Stege demolirt – kurz das Wasser vollführte ein Zerstörungswerk, wie es ärger nicht gedacht werden konnte. Bald war die Oberfläche des entfesselten Elementes mit allem Möglichen bedeckt: ausgerissene Bäume, Thüren und Fenster, Auslagekästen und Möbelstücke aller Art, Balken, Tonnen und Fässer, selbst ganze Kioske (…)“[5]

Nachdem die Flut die Kaimauern zu beiden Seiten des Flusses überstiegen hatte und sich das Wasser an den zahlreichen Brücken staute, standen die Erdgeschosse der angrenzenden Häuser unter Wasser. In der Marienbader Straße reichte das Wasser 2,50 m über das Straßen- Niveau. Zahlreiche Hotels und Cafes waren bis zum obersten Rand der Eingangstüren überflutet. Die Butiken auf der alten Wiese standen bis zum Dach unter Wasser. Die Sprudelkolonnade wurde ebenso überschwemmt wie das Stadttheater. Durch den Markt und die Mühlbadgasse schoss ein reißender Strom, der alles mit sich riss, was nicht vorher in Sicherheit gebracht worden war. Viele der Ladenbesitzer die versucht hatten zu retten was noch zu retten ist, gerieten in Lebensgefahr, weil sie es nicht mehr rechtzeitig schafften ihre Boutiquen zu verlassen. Keller beschreibt, wie sich ein Geschäftsmann auf ein hohes Regal flüchten musste und dort schreckliche Stunden ausharrte bis der Wasserstand gesunken war und Hilfe eintraf.[6] Einige Personen flüchteten sich auf Kastanienbäume oder wurden von „kühnen Schwimmern“[7] gerettet.

Viele Häuser wurden durch die Flut so schwer beschädigt, dass sie kurz vor dem Einsturz standen. Das Haus „Kaffeebaum“ brach dann auch tatsächlich zur Hälfte in sich zusammen, nachdem es der Feuerwehr in einer dramatischen Rettungsaktion gelungen war die Besitzer des Hauses, Fritz Knoll mit seiner Gattin in letzter Minute in Sicherheit zu bringen.[8]

Obwohl schließlich keine Person durch die direkte Auswirkung des Hochwassers ums Leben kam, war am Ende doch ein tragischer Todesfall zu verzeichnen. Bürgermeister Eduard Knoll, der mit ansehen musste wie einer der Geschäftsleute ins Wasser stürzte, nachdem ein Rettungsseil gerissen war, wurde mit den Worten „Auch das noch“[9] vom Herzschlag getroffen und starb bevor der Ertrinkende schließlich doch noch gerettet werden konnte.[10]

Am Nachmittag des 24. November war der Hochwasserpegel so weit gesunken, dass das volle Ausmaß der Zerstörung ersichtlich wurde. Viele Teile der Stadt, allen voran die Mühlbadgasse, glichen einem Trümmerfeld: Insgesamt wurden rund 240 Häuser, 14 Brücken und 400 Butiken schwer beschädigt. Der Schaden bei öffentlichen Einrichtungen und Gebäuden belief sich auf 300 000 Gulden. Die Verluste bei Privatpersonen wurden auf 1,5 Millionen Gulden geschätzt.[11]

Unmittelbar nach der Katastrophe erließ der Stadtrat von Karlsbad einen Aufruf, in dem um „milde Gaben und Spenden“[12] gebeten wurde. Nach zwei Tagen waren schon 25.000 Gulden eingegangen, wobei auch viele Privatpersonen und selbst geschädigte Geschäftsleute und Hotelbesitzer unter den Spendern auftauchten. Zudem spendeten auch Kurgäste, wie zum Beispiel der Sultan von Lahore, größere Geldbeträge.

Obwohl das Ausmaß der Zerstörung immens war, beflügelte die Nachricht, dass die Kurquellen weitgehend unversehrt geblieben waren den Aufbauwillen der einheimischen Bevölkerung. Unterstützt durch eine Pionierabteilung des k. k. Heeres gelang es in relativ kurzer Zeit die wichtigen Leitungssysteme für Gas und Wasser, sowie Brücken und Wege wieder instand zu setzen. Schon am 29. November 1890 konnten die Sprudelbäder wieder in Betrieb genommen werden, sodass die kommende Kursaison ungefährdet blieb.

Da Karlsbad als Weltkurort einen hohen Bekanntheitsgrad hatte und die Überschwemmungskatastrophe auch im Ausland auf reges Interesse gestossen war, entschloss sich die k. k. Regierung dazu, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, die ein nochmaliges schlimmes Hochwasser in Karlsbad verhindern sollten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man die Ursache der Hochwasserlage in Karlsbad auf Dammbrüche bei den Teichen des Stifts Tepl gesucht, welche oberhalb von Karlsbad zur Fischzucht angelegt worden waren. Ein durch wissenschaftliche Untersuchungen gestütztes Gutachten ergab jedoch ein anderes Bild. Die Ursache der Überschwemmungs-Katastrophe musste danach in den starken Regenfällen gesucht werden, die im Hinterland des Tepltales niedergegangen waren. Dies hatte zum raschen Anschwellen mehrerer Seitenbäche der Tepl, wie Roda- oder Lomnitzbach, geführt. Diese Bäche hatten aufgrund ihres starken Gefälles in kurzer Zeit große Wassermassen in die Tepl befördert und hatten den Wasserstand des Flusses daher unvermittelt in die Höhen schnellen lassen.

In der Folge dieser Untersuchung wurden im großen und ganzen zwei Maßnahmen diskutiert, die eine Wiederholung der Katastrophe verhindern sollten. Als erste Lösung galt der Bau einer Talsperre im „Aicher Gelenk“ an der Talverengung oberhalb von Pirkenhammer. Die Alternative dazu war der Bau eines 1,5 km langen Tunnels, der den Teplfluß am „Aicher Gelenk“ in die Eger umleiten sollte.

Die zweite Lösung hätte jedoch dazu geführt, dass die Tepl als Fluss weitgehend aus dem Stadtbild von Karlsbad entfernt worden wäre.

Obwohl ein weiteres Hochwasser jederzeit hätte eintreten können, verzögerte sich die Umsetzung dieser Maßnahmen bis nach dem Ersten Weltkrieg. Erst im Jahr 1931 wurde mit dem Bau einer Talsperre oberhalb von Pirkenhammer begonnen, deren Bauzeit sich bis zum Sommer 1936 erstreckte. Die geplante Lomnitzsperre wurde erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1974-1978 als Talsperre Donawitz mit einem Fassungsvermögen von 24 Millonen Kubikmeter Wasser realisiert. Damit war die Gefahr eines weiteren großen Hochwassers in Karlsbad vorerst gebannt.

Klaus Jahn  M.A.,  wiss. Mitarbeiter

Anmerkungen:

[1]  vgl. Ludwig, 145ff. / Pleyer, 81f. / Wenisch, 243ff.
[2] Ludwig, 147f.
[3] Ludwig, 148ff.
[4] Keller, Hans (Hrsg.), Karlsbad 1890.
[5] Keller, 6.
[6] Keller, 8/9.
[7] Keller, 8.
[8] Keller, 11.
[9] Keller, 8.
[10] Keller, 8.
[11] Schönbach, 109.
[12] Keller, 17.

Literatur:
Daniel, W.: Das Flussgebiet der Tepl, Prag, 1891.
Keller, Hans (Hrsg.): Die große Ueberschwemmung von Karlsbad am 24. November 1890, Karlsbad 1890.
Ludwig, K.: Alt Karlsbad, Karlsbad 1920.
Pleyer, Wilhelm: Sudetendeutsche Monatshefte Heft 12/ 1941, Teplitz-Schönau 1941.
Schönbach, Rudolf: „Das Hochwasser in Karlsbad 1890“, in: Weigert, Ludwig J. (Hrsg.): Karlsbader Historische Schriften Band1, Karlsbad 2002, S.109-125.
Stadtgemeinde Karlsbad: Die Bedeutung des Hochwasserschutzes für Karlsbad, Karlsbad 1927.
Wenisch, Eduard: Erzgebirgs-Zeitung Nr.11/1890, Teplitz 1890.