Häuser am Wald – Kunstwerk des Monats November 2006
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Späte Beschwingtheit mit kubischen Formen
Als Kunstwerk des Monats November 2006 stellen wir das Aquarell des Malers und Grafikers Professor Richard Fleißner mit der Bezeichnung Häuser am Wald, 1978, 37,5 x 53,5 cm, vor. Dieses Kunstwerk wird zurzeit in der Schausammlung aus dem Werkbestand des Künstlers präsentiert. Richard Fleißner hat mit seiner Zustiftung, die aus einem namhaften Finanzbetrag und aus einer Kunstsammlung bestand, die Grundlage für die Errichtung der Egerländer Kunstgalerie in Marktredwitz geschaffen.
Richard Fleißner zeigt in dem Werk eine Gruppe von Häusern, deren Fassaden durchwegs in hellem Grau dargestellt werden. Sie weisen nur wenige Fensteröffnungen auf. Die Dächer sind dunkelgrau bis schwarz. Lediglich fünf Gebäude zeigen rote Dachflächen. Zwei dieser Häuser mit rotem Dach sind rechts der Mitte des Bildes angeordnet. Das zweite Haus steht nach rechts versetzt hinter dem Gebäude im Vordergrund. Zwei weitere Gebäude leuchten mit ihren roten Dächern mittig in der oberen Hälfte des Bildes aus den Bäumen des Hintergrunds heraus. Ein weiteres Gebäude mit rotem Dach ist links im Vordergrund zu erkennen. Es steht als eine Art Nebengebäude vor dem größten Haus in der linken Bildhälfte. Neben diesem kleineren Gebäude steht links bis an den Bildrand reichend ein weiteres kleines Gebäude mit schwarzem Dach. Hinter dem hohen und größten Gebäude in der linken Bildhälfte sind nochmals zwei unterschiedlich hohe Gebäude angeordnet. Ihr Standort ist dadurch gekennzeichnet, dass nur ein kleiner Teil der Gebäude hinter dem größten Gebäude zu erkennen ist. Zwischen dem größten Gebäude in der linken Bildhälfte und dem Haus mit rotem Dach in der Mitte des Bildes ist noch ein kleines Gebäude mit schwarzem Dach eingeordnet. In der rechten Bildhälfte weist das Bild drei hintereinander liegende Ebenen auf, die jeweils mit Gebäuden mit schwarzen Dächern besetzt sind. Sie sind unterschiedlich groß und jeweils nur teilweise sichtbar.
Der Vordergrund ist über die gesamte Breite der Bildfläche in grüngrauer Farbe gehalten. Diese farbliche Begrenzung findet auch am linken und rechten Bildrand statt. Am linken Bildrand ist mit einem dunkleren Farbton ein Baum angedeutet. Beim rechten Bildrand ist lediglich in der oberen Fläche ein Baumbestand zu erkennen. Die insgesamt dreizehn Häuser umfassende Gebäudegruppe wird oben durch grünliche Baumgruppen begrenzt, deren obere Teile sich von einem graublauen Horizont abheben. Alle Gebäude weisen eine schlichte kubische Form auf. Mit den grauweißen Fassaden leuchten sie aus dem Bild heraus und geben ihm eine gewisse Beschwingtheit, die durch die roten Dächer einzelner Gebäude betont wird.
Das Aquarell entstand in einer Schaffensperiode des Künstlers, die von den intensiven Studien von Meer- und Küstenlandschaften beherrscht war. Es wirkt wie eine Rückbesinnung auf die Malweise der 1930er Jahre, in die die Farbigkeit aus den mediteranen Bildern der 1950er Jahre eingewebt ist. Jedenfalls ist eine Wiederholung des Themas und der kubistischen Formen des berühmten Gemäldes mit der Bezeichnung Häuser in der Dämmerung, das 1937 entstanden ist, unverkennbar. Ebenso die Einwirkung der heiteren visuellen Farb-Erfahrungen aus Italien, wodurch das Aquarell eine heitere, eine beschwingte Note erhält. Vor dem Ende seines künstlerischen Schaffens, das durch den Tod seiner ersten Frau und das Nachlassen des Augenlichts in 1980 ist dieses Werk ein bemerkenswerter letzter Höhepunkt des künstlerischen Schaffens Richard Fleißners.
Richard Fleißner ist am 4. April 1903 in Tuschkau, Kreis Mies, geboren und 1989 in Gräfelfing bei München gestorben. Er ist Meisterschüler des berühmten Lehrers an der Kunst-Akademie in Prag August Brömse, der aus Franzensbad stammt und der für den Aufbruch der Egerländer Künstler in die Moderne steht. Nach seinem Studium in Prag wirkt er an der Staatsfachschule in Gablonz und arbeitet als freischaffender Maler und Graphiker. Er nimmt seit 1926 an zahlreichen auch Internationalen Ausstellungen teil. Er erhält bereits 1923 den 1. Preis der Kunstakademie Prag und 1924 den Rompreis. Seit 1959 nimmt er regelmäßig an den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München teil.
1927 heiratet er seine langjährige Studienkollegin Edith Plischke. 1938 wird Fleißner von der Kunstkammer der Nazis gesperrt und 1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Bei der Wehrmacht gilt Fleißner als politisch unzuverlässig. Gegen Ende des Krieges wird ein standgerichtliches Verfahren eingeleitet, das wegen des raschen Ganges der Ereignisse nicht mehr zur Durchführung kommt.
Nach dem Krieg darf er nach München übersiedeln, wo er bis zu seiner Pensionierung (1967) an der Deutschen Meisterschule für Mode und am Berufspädagogischen Institut wirkt. In den 1950er Jahren trennt er sich von seiner Frau und heiratet 1957 seine zweite Frau Inge Kern. Im gleichen Jahr übernimmt Fleißner bei der Künstlergilde Esslingen die Leitung der Abteilung für die Sudetendeutschen Künstler. 1967 erhält er den sudetendeutschen Anerkennungspreis für die bildende Kunst. In den sechziger Jahren unternimmt er Reisen nach Italien, in den siebziger Jahren Reisen nach Cuxhaven und an die Nordsee. Die Eindrücke dieser Reisen verarbeitet er als freischaffender Künstler, der er stets neben seiner Lehrtätigkeit geblieben ist. 1973 richtet das Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine Ausstellung zum 70. Geburtstag von Richard Fleißner aus. 1978 erhält er von der Künstlergilde Esslingen eine Einzelausstellung aus Anlass seines 75. Geburtstags.
1979 wird Professor Richard Fleißner von der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste zum ordentlichen Mitglied berufen. 1980 stirbt plötzlich seine zweite Frau Inge Kern. Anschließend ist Fleißner wegen nachlassender Sehkraft gezwungen, seine künstlerische Tätigkeit einzustellen. Frau Gertrud Träger ordnet in dieser Zeit seine Kunstsammlung. 1981 vermacht er seine Kunstsammlung und sein Vermögen der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz mit der Auflage, eine Egerländer Kunstgalerie als eine Kunstsammlung der modernen Kunst zu errichten. 1983 findet im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz und im Haus der Heimat in Stuttgart eine große Einzelausstellung für Richard Fleißner statt. 1991 erhält er posthum eine große Einzelausstellung im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg, für die ein umfangreicher Katalog von Susanne Florschütz erstellt wird. 1993/94 erscheint das Buch WIR, in dem 18 sudetendeutsche Künstler, zu denen auch Fleißner gehört, dargestellt sind. 1999 wird nach Durchführung eines Erweiterungsbaus für das Egerland-Museum die Egerländer Kunstgalerie im Altbestand des Egerland-Kulturhauses in Marktredwitz eröffnet. Zu seinem 100. Geburtstag wird dem Künstler 2003 auch in Gablonz (Joblonec nad Nisou) eine Gedenkausstellung gewidmet.
Richard Fleißner äußerte sich über seinen Bezug zur Egerländer Heimat: „Meine Heimat ist das Fundament für mein persönliches Schaffen. Sie wirkt unbewusst als prägende Kraft in meiner künstlerischen Aussage weiter und zwar im Wesentlichen und nicht im Gegenständlichen“.
Hans-Achaz v. Lindenfels