Egerländer Hochzeit – Kunstwerk des Monats Oktober 2003
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Kunst und Volkstumspflege
Mit dem Kunstwerk Egerländer Hochzeit, 1931, Aquarell, 56 x 71,5 cm, von Gustav Zindel stellen wir ein Exponat vor, das im Dienst der Volkstumspflege entstand und vor diesem Hintergrund zu würdigen ist.
Der aus Rodenau bei Komotau stammende Künstler wird häufig als Erzgebirgsmaler bezeichnet. Das ist er sicherlich auch. Ein außer-gewöhnlich großformatiges Gemälde Huldigung des Erzgebirges an Kaiser Franz Jodeph I. von 1908 mit dem Ausmaß von 1,75 cm x 3,10 cm, das in der Sammlung Erinnerungskunst gezeigt wird, bestätigt dies eindrucksvoll. Es wurde im Auftrag des Erzgebirgsvereins geschaffen und zierte bis 1918 den großen Saal im Hotel Keilberg im Erzgebirge. Neben vielen anderen Werken mit Motiven aus dem Erzgebirge zeichnet das Lebenswerk des Künstler aber vor allem aus, dass der Künstler dem bedeutenden Mundartdichter und großen Heimatforscher Josef Hofmann (* 1858 in Karlsbad † 1943 in Karlsbad) als Illustrator diente. Die Zahl der Bücher von Josef Hofmann und anderen Heimatforschern wird mit etwa 200 angegeben. Es nimmt nicht Wunder, wenn bei der engen Zusammenarbeit zwischen Josef Hofmann und Gustav Zindel die Werke Zindels der Konzeption von Josef Hofmann entsprechen.. Hofmann bemühte sich das regionale Volksleben im Egerland bzw. im Karlsbader Land und in Nord- und Westböhmen zu erfassen und zu dokumentieren. Dabei war eine gewisse Idealisierung fast unvermeidlich, obwohl die Realität keineswegs idyllisch und konfliktlos, keineswegs nur vom Wohlstand und von Volksfesten geprägt war.
Diesen Zusammenhang Zindel – Hofmann stellte eine Sonderausstellung des Egerland-Museums, die 1994 von der damaligen Museumsleiterin Elisabeth Fendl M. A. in Zusammenarbeit mit dem Museum Karlsbad als grenzüberschreitende Aktivität ausgerichtet wurde, heraus. „Nach dem ersten Weltkrieg“, so erläutert Elisabeth Fendl in dem Katalog zur Ausstellung unter Berufung auf Konrad Köstlin, Explikation des Ländlichen, „entsteht eine neue und weit heftigere, wohl auch verzweifelte Konjunktur für Heimat.“ „Das (durch den Weltkrieg und seine Folgen) enttäuschte Bürgertum der Städte suchte sich in dem scheinbar unveränderten alten Ordnungen unterworfenen Land, seinen Ruhe- und Fluchtpunkt.“ Die mit ganz anderen Voraussetzungen begonnenen ethnologischen Forschungen Hofmanns erhalten damit im bürgerlichen Bewusstsein eine neue und verbreitete Bedeutung. Es muss diese Entwicklung nicht mit Köstlin als eine Strategie des Bürgertums gewertet werden, für das Land eine bessere Befindlichkeit ästhetisch herbei zu inszenieren, ohne an den realen Verhältnissen etwas zu ändern. Das Suchen nach heimatlicher Geborgenheit und das Wiederbeleben von altem Brauchtum und Volksleben erhielt aber eine neue Bedeutung. Diesem gesellschaftlichen Wandel folgte Josef Hofmann und auch Gustav Zindel.
Das Aquarell Egerländer Hochzeit steht exemplarisch für diese auch künstlerische Entwicklung. Es gibt wieder, wie man sich in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg das ländliche Leben in der Heimat, insbesondere die Feste nach altem Brauch, vorzustellen gewohnt war. Das Hochzeitspaar in der festlichen Tracht, wie sie in den einzelnen Gegenden des Egerlandes gepflegt oder wieder belebt worden war, tritt nach der Trauung in die Mitte der dörflichen Gemeinschaft, um das Hochzeitsfest zu feiern. Der Hochzeitsbitter oder Prokurator, der festlich herausgeputzt für einen geordneten Ablauf der vielfachen Zeremonien einer Hochzeit zu sorgen hatte, und rechts im Bild dargestellt ist, präsentiert das Hochzeitspaar dem Betrachter, der sich in der Menge der vor der Kirche harrenden Dorfbewohner wähnen darf. Hinter dem Hochzeitspaar sind die Eltern der Braut und des Bräutigams bereits aus der Kirche heraus getreten. Der Hochzeitszug wird von Frauen mit Kindern links im Bild erwartet. Die Frauen sind ebenfalls in festlicher Tracht, die Kinder sind wie kleine Erwachsene ebenso in festlicher Tracht gekleidet. Rechts im Hintergrund jubeln Burschen und Männer dem frisch getrauten Paar zu. Der Künstler zaubert mit den Farben der Trachten ein fröhliches und heiteres Bild. Die Menschen sind in das durch das Brauchtum vor-gegebene Ritual eingeordnet, ihre Individualität scheint diesem fast vollständig untergeordnet zu sein.
Entsprechend der auch vom Auftraggeber Josef Hofmann vorgegebenen und erklärten Absicht, die alten Bräuche und Trachten in einer Weise der Rückbesinnung auf „gute alte Zeiten“ wieder zu beleben, ist auch dieses Werk, wie die Illustrationen Zindels zu den Büchern von Josef Hofmann von einer bemerkenswerten Idealisierung geprägt. Damit steht das Werk neben dem gerade in den zwanziger Jahren begonnenen ausgeprägten Aufbruch zur Moderne, mit dem sich die bildende Kunst der Realität stellt und mit der Suche zum Wesentlichen zur Reduzierung der äußeren Erscheinung, zur Abstraktion wandelt. Die Egerländer Hochzeit kann somit verdeutlichen, wie in völlig unterschiedlicher Art versucht wurde, die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts, den 1. Weltkrieg, zu verarbeiten und wie es dadurch auch zu den unterschiedlichsten Richtungen in der bildenden Kunst gekommen war.
Gustav Zindel ist 1883 in Rodenau bei Komotau geboren. Bereits in der Volksschule wird seine zeichnerische Begabung entdeckt und er erhält frühzeitig fachliche Anleitung durch den akademischen Maler Hans Schottenhammer, bei dem er auch eine Art Lehre machen kann.1898 –1900 studiert er dann an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Zurück gekehrt beginnt er seine Erzgebirgsheimat im Bild festzuhalten, Landschaft und Leute darzustellen. Seinen ersten größeren Auftrag erhält er vom Erzgebirgsverein für das Huldigungsbild im Keilberg-Hotel, das 1908 fertig gestellt wird. Vom Verein zur Förderung deutscher Wissenschaft und Kunst und Literatur in Böhmen erhält er ein Stipendium, das ihm eine Reise nach München und in die Alpen ermöglicht. 1909 ist die erste Ausstellung seiner Werke in Komotau. Die Bekanntschaft mit Josef Hofmann bestimmt dann sein künstlerisches Schaffen. Er setzt die Forschungsergebnisse dieses Heimatforschers nach dessen Vorgaben und Photographien in grafische Darstellungen um. Neben den Buchillustrationen werden die Werke in Zeitschriften und Postkarten vervielfältigt, so dass er mit seinen Werken einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht. 1927 heiratet der Künstler, 1929 übernimmt er die väterliche Landwirtschaft und kauft außerdem das Nachbaranwesen, eine Gastwirtschaft, die als Zindel-Baude zu einem beliebten Ausflugsziel wird. „Was der Erzgebirgsdichter und Sänger Anton Günther in Liedern ausdrückt, hält Gustav Zindel im Bild fest“, wird zu einem geflügelten Wort im Erzgebirge. Nach 1945 muss die Familie als Landarbeiter in Olesna leben, die Söhne werden im Radium-Bergbau in St. Joachimsthal dienstverpflichtet. Eine Krankheit verhindert die Vertreibung und 1946 wird die Übersiedelung nach Böhmisch-Wiesenthal im Erzgebirge genehmigt. Dort arbeitet Zindel bis er 1959 in Weipert stirbt und in Böhmisch-Wiesenthal beigesetzt wird.
Hans-Achaz v. Lindenfels