Der Zug ist abgefahren – Kunstwerk des Monats Februar 2002
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Hoffnungslosigkeit und Verlassenheit in fahler Farblichkeit
Das Gemälde Der Zug ist abgefahren, 1976, Acryl auf Leinwand, 55 x 70 cm, nimmt den Betrachter durch seine Farbigkeit gefangen. Es zeigt den Blick auf zwei Bahngleise die durch das Bild laufen. Ihr Verlauf auf eine links im Bild liegenden Bahnhof zu ist am unteren Bildrand durch ein Weichen-Signal, dessen Pfeil nach links, also auf den Bahnhof zu gestellt ist, gekennzeichnet. Nach der Weiche gesellt sich zu den beiden Gleisen, noch ein drittes hinzu, das parallel neben den beiden Hauptgleisen und direkt am Bahnhof entlang verläuft. Das Bahnhofsgebäude links im Bild ist ein schlichtes zweistöckiges Gebäude das giebelseitig zu sehen ist und vor dem vier kahle Bäume stehen. Vor dem Bahnhofsgebäude ragt noch ein Holzschupfen mit einem Holzzaun vom linken Bildrand ins Bild. Die am rechten Bildrand von Telefonmasten begleiteten Gleise laufen in den Bildhorizont an dem sich in der Ferne ein dunkler Bergrücken zeigt. Über dem Sattel des Bergrückens fast in der Mitte des oberen Bildrandes deutet ein Lichtband den letzten Schimmer der untergehenden Sonne an. Ganz am oberen Bildrand ist der Himmel von dunklen Wolken verhangen.
Die scheinbar ins Unendliche verlaufenden Gleise sind in ein Schneebett eingebettet, das durch seine ausgeprägt bläuliche Farbe das gesamte Bild beherrscht. Einen Gegenpol zu dieser großen Farbfläche bildet lediglich das rostrote Bahnhofsgebäude, das mit
seinem schneebedeckten Dach aber wiederum mit dem bläulichen Schnee korrespondiert wie auch das Dach des braunen Holzschupfen am linken Bildrand. Die bläuliche Schneefläche endet an dem in dunkelbrauner Farbe gehaltenen Bergrücken, dessen Kamm durch den rosa Schimmer der untergehenden Sonne Kontur erhält.
Die scheinbar in die Unendlichkeit führenden Gleise wirken zusammen mit der unwirklich bläulichen Schneefläche eintönig. Der allein stehende Bahnhof ohne das geringste Anzeichen von Leben oder Betrieb steigert den eintönigen Eindruck zu einem Bild der
Verlassenheit. Die angedeuteten letzten Schimmer der untergehenden Sonne, die nur noch erahnt werden kann, besiegeln gleichsam dieses Bild der Verlassenheit.
Mit seiner Darstellung einfacher Dinge und eintöniger Landschaften nimmt der Künstler in gewissem Sinn Malweisen der naiven Malerei auf und prägt sie aber durch seine Phantasie zu einem sehr individuellen Stil, in dem man Einflüsse des Expressionismus und neuer Sachlichkeit entdecken kann. Seine Werke spiegeln aber zugleich seine persönlichen Erlebnisse, die durch Krieg, Vertreibung, Entbehrung und Not gekennzeichnet sind wieder. So spiegelt sich in dem Gemälde Der Zug ist abgefahren die Hoffnungslosigkeit und die Verlassenheit wieder, die der Künstler durchlebt hat.
Oswald Voh ist in 1904 in Buchau bei Karlsbad als Sohn eines Bäckers geboren. Nach Ausbildung an der keramischen Fachschule in Teplitz, Lehre als Dekorationsmaler und Arbeit in einem Werbeatelier in Aussig folgt von 1924 bis 1929 Studium an der Akade-mie der Bildenden Künste in München. Als Meisterschüler von Professor Julius Diez hat
Er ein eigenes Atelier zur Verfügung und arbeitet für die Zeitschriften Jugend, Das Leben und Die Woche. Nach Abschluss des Studiums ist er zunächst freier Mitarbeiter des Scherl- Verlages. In den 30er Jahren siedelt Voh nach Berlin-Wilmersdorf um und lernt dort die Künstlerin Gisela Schmiedeberg, seine spätere Frau, kennen. Er ist auch in dieser Zeit freier Mitarbeiter bei Verlagen und in der Werbung. Er verarbeitet Eindrücke von Reisen nach Mexiko und Guatemala. 1937 findet er in seiner Heimat einen stillen Sommersitz, die Eger-Mühle bei Wickwitz. Dorthin zieht er sich immer wieder zurück, um sich ganz seiner Arbeit als frei schaffender Künstler zu widmen.
1939 heiratet er Gisela Schmiedeberg und zieht mit ihr an den Stadtrand von Berlin.
Im zweiten Weltkrieg wir er zum Kriegsdienst in einer Bau-Kompanie herangezogen und nach einer schweren Erkrankung in die Grafikabteilung einer Propaganda-Kompanie versetzt. Kurz vor Kriegsende kann Voh mit seiner Familie nach Böhmen, nach Lappersdorf im Duppauer Gebirge zurückkehren. Nach der Vertreibung in 1946 findet die Familie Voh eine erste Zuflucht in einer Jagdhütte im Kreis Marburg. Die beiden Künstler beginnen wieder mit künstlerischer Arbeit in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Es folgen bald Ausstellungen in Marburg, Wien, Lauterbach, Geretsried ,und später Stuttgart und Marktredwitz. 1951 siedelt die Familie nach Ambach am Starnberger See um. Dort entsteht ein eigenes Haus. Es folgen Reisen nach Lybien, Malawi, Holland und Thailand, deren Eindrücke durch zahlreiche Arbeiten beider Künstler dokumentiert werden. 1978 veranstaltet das Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine ein-drucksvolle Einzelausstellung. In 1979 stirbt Oswald Voh nach längerer Krankheit in Ambach.
Das Kunstwerk ist eine Leihgabe der Tochter des Künstlers, Isolde Lorenz-Voh, Münsing-Ambach.
HAvL