Cut und Stresemannhose
Thema des Monats April 2004
Cut und Stresemannhose – Neu im Egerland-Museum
Camilla und Hermann Ritter,
Falkenau, 18. Oktober 1937
“Vielen Dank für die Bereitschaft des Egerland-Museums, den Cut meines Großvaters Hermann Ritter zu übernehmen.“”
Wenige Tage nach diesen Schreiben traf im Egerland-Museum ein Postpaket ein, dessen Inhalt der originale Cutaway mit der dazugehörigen Anzughose war. Die beiden sehr gut erhaltenen Textilien wurden inventarisiert und unter der Inventarnummer 15050/1 und 15050/2 in den Bestand des Museums aufgenommen.
Der maßgeschneiderte Cut ist aus signalschwarzer Schafwolle in Köperbindung (Kammgarn) gefertigt und ganz mit einem schwarzen Baumwoll-Satinstoff ausgefüttert. Vorder- und Rückenteil der Jacke sind auf Taille gearbeitet, das Vorderteil vorne mit schräg geschnittenen Schößen ausgestattet. Links auf der Innenseite des Cutaways sind untereinander zwei Brusttaschen zur Aufbewahrung der Geldbörse oder einer Taschenuhr eingesetzt. Ein langer Gehschlitz, verziert mit zwei mit schwarzer Seide überzogenen Metallstegknöpfen, befindet sich auf der Rückseite des Cuts. Der große Reverskragen dominiert das Vorderteil. Verschlossen wird die Herrenjacke mit einem mit Atlasseide bezogenen Knopf. Auch auf den Ärmelabschlüssen sitzen je drei kleine bezogene Metallstegknöpfe. Passend zum Cut wurde eine schwarz-gestreifte Stresemannhose aus Kammgarn getragen.
Der Cutaway, abgekürzt Cut, mit seinem rund geschnittenen Vorderteil kam als Herrenrock in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts neben dem Gehrock in Mode. Meistens aus schwarzem Tuch gearbeitet mit grau-gestreifter Hose, heller Weste, silbergrauer Krawatte und Zylinder getragen, stellte er für den Herren den Gesellschaftsanzug für festliche Anlässe, Hochzeiten und ähnliches dar. Auch der an das Egerland-Museum gespendete Cut wurde im Oktober 1937 anlässlich einer Hochzeit getragen. Wer war aber der Mann, der in diesen Kleidern steckte?
Hermann Ritter wurde 1877 in Falkenau an der Eger geboren und besuchte nach seiner Volksschulzeit das humanistische Gymnasium in Eger. Da ein gymnasialer Abschluss leider aus finanziellen Gründen nicht möglich war, begann er eine kaufmännische Lehre in Falkenau und in Meerane/ Sachsen. In den Jahren 1900 bis 1902 war Hermann Ritter als Kaufmann bei den Britannia Kohlewerken in Königswerth bei Falkenau und deren Schwesterwerken in Graupen bei Teplitz (1902-1915) tätig. Sein beruflicher Werdegang führte ihn weiter nach Seestadtl bei Brüx (1915-1921) und schließlich wieder zurück nach Königswerth (1921-1945), wo er zuletzt als kaufmännischer Direktor die Verantwortung trug.
Vielen bekannt ist Hermann Ritter aber als Schriftsteller des Romans „Des Felberbauern erstes Ehejahr“, der 1936 im Adam Kraft Verlag in Karlsbad erschienen ist. In seinen literarischen Werk hält er sich fern von den politischen Ereignissen der Zeit. Hermann Ritter verarbeitet seine vielfältigen Erfahrungen, die er in Österreich und Deutschland gesammelt hat und seine Tätigkeit als Prokurist in den verschiedenen nordböhmischen Bergbaugesellschaften. Eine geplante Verfilmung des Egerländer Dorfromanes konnte infolge der Kriegsereignisse nicht mehr realisiert werden. Nach der Vertreibung lebte und arbeitete er in Wetzlar. Am 27. Mai 1966 verstarb Hermann Ritter.
Der Cutaway steht exemplarisch für die vielen Spenden an das Egerland-Museum in Marktredwitz. Er soll ein Beispiel sein, dass das Museum nicht nur Trachten, Photographien, Porzellan und vieles mehr in seinen Bestand aufnimmt, sondern auch andere Objekte wie zum Beispiel Cut und Stresemannhose.
Vielen Dank für Ihre Spenden!
Carola Reul M.A.
wissenschaftliche Mitarbeiterin
Egerland-Museum
Literatur:
Bund der Eghalanda Gmoin e.V. (Hrsg.), Hermann A. H. Ritter, in: Jahrbuch der Egerländer, 10. Jahrgang, Geislingen/ Steige 1963, S. 25.
Mühlberger, Josef: Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen 1900-1939, München Wien 1981, S.372.
Weinmann Dr., Josef: Egerländer Biographisches Lexikon, Bd.2, Männedorf 1987, S.108.