Bildnis der Mutter – Kunstwerk des Monats März 2002
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Verinnerlichung im menschlichen Antlitz
Das Porträt mit der Bezeichnung Bildnis der Mutter des Künstlers, 1952, Öl auf Leinwand, 660 x 48,5 cm, von Wilhelm Klier ist eines der Porträts, da noch von dem klassischen lasierten Malstil der frühen Jahre nach dem zweiten Weltkrieg geprägt ist. Dennoch wird schon die Sensibilität für Unbewusstes, Flüchtiges und Unterschwelliges sichtbar. Die Porträtierte präsentiert sich dem Betrachter frontal, in einer Umgebung sitzend, deren Beschaffenheit im Unklaren bleibt. In der Gestaltung ist der Künstler ganz auf das Antlitz seiner Mutter konzentriert.
Das Antlitz wird umrahmt von leicht gewelltem, aus der Stirn gekämmtem Haar. Die Arme der Porträtierten sind leicht angewinkelt, die Hände im Schoß verschränkt. Die Bekleidung in Rosa und Oliv harmoniert mit dem akzentuierten Einsatz von Rottönen auf dem Gesicht und auf den Händen. Aus dem kaum schattierten, dunklen Hintergrund und der farblich gemäßigten Kleidung scheinen das Gesicht und die feingliedrigen Hände der Frau nahezu plastisch hervorzutreten. Diese Plastizität wird durch ausdrucksvolle Körperschatten, die das reale, fortgeschrittene Lebensalter der Dargestellten umschrieben, verstärkt. Der Blick der Porträtierten fällt schräg rechts an dem Betrachter vorbei, auf eine unbekannte Erscheinung. Die hohe Stirn ist in Falten gelegt, die rechte Augenbraue leicht nach oben gezogen, der Mund etwas geöffnet. Der Gesichtsausdruck signalisiert Aufmerksamkeit und kritisches Interesse. Die Körperhaltung mutet zwar entspannt, aber auch abwartend an. Der freie malerische Stil, die betonte Plastizität der Physiognomie und die spezielle Formulierung der Mimik weisen darauf hin, dass Klier nicht nur äußerliche Beschaffenheit beschreibt, sondern wesentliche charakterliche Grundzüge seiner Mutter skizziert, um die er wegen der engen Beziehung zum Gegenstand der Darstellung mehr weiß als über jeden anderen Menschen. In dem Antlitz spiegelt sich auch unübersehbar das Geschehen in den vielen Lebensjahren wider, nicht zuletzt das, was sich durch das Erleben von Krieg und Vertreibung in dem Gesicht eingeprägt, eingefaltet, ein-gegraben hat. Zusammen mit den ausdrucksvollen Augen ergibt sich daraus eine Verinnerlichung eines menschlichen Gesichts, das die Last eines ganzen Lebens erahnen lässt.
In seinen späteren Jahren weicht der Stil von Wilhelm Klier in Farbe und Form auf. In zunehmendem Maß steht nicht mehr die Objektivität des Auges im Vordergrund, sondern die Subjektivität des Erahnten, Gefühlten. Allgemeingültiges über die Vielgestaltigkeit und den Facettenreichtum des menschlichen Gesichts wird spürbar. Eine Annährung an den malerischen Duktus eins Lovis Corinth, aber vor allem an die psychologischen Porträts Oskar Kokoschkas findet statt. Die Freilegung des geistigen Innenlebens des Menschen wird in den Porträts durch ihre malerische Analyse des Seelenlebens zum Hauptanliegen des künstlerischen Schaffens.
Wilhelm Klier wird 1900 in Karlsbad geboren. Nach dem Gymnasium in Karlsbad studiert er in Wien bei Professor Eder und dann an der Kunstakademie bei den Professoren Jungwirth, Sterrer und Delug. Er wird Mitglied des Wiener Hagen-Bundes und des Metzner-Bundes. 1924 erhält er den Kunstpreis der Stadt Wien und beteiligt sich 1926 an der Ausstellung im Rahmen des Hagen-Bundes. Noch vor dem 30. Lebensjahr wird Klier als Professor berufen und lehrt an der Wiener Kunstakademie.
Er wird Mitglied der Wiener Sezession. Von 1928 bis 1932 lebt er in München und Paris. 1934 geht er nach Berlin und 1938 weiter nach Breslau.
Durch eine erfolgreiche Ausstellung gelangt er nach Aussig an der Elbe, wo er, der seit Jahren frei schaffender Künstler ist, wichtige Porträt-Aufträge erhält, vor allem porträtiert er Erich Schicht, den Chef der Schicht-Werke. Nach diesen neuen Erfahrungen betätigt er sich vor allem in den Sommermonaten in Karlsbad als Porträtist.
Beim Brand des Glaspalastes in München wird ein Großteil seiner Werke zerstört. Nach der Vertreibung und vorübergehenden Aufenthalt im bayerischen Vogtland, wo er sich mit der Porträtmalerei über Wasser hielt, lebt er zunächst in München und lässt sich schließlich in Chieming-Pfaffing in Oberbayern nieder. Dort stirbt er 1968.
Das künstlerische Schaffen von Wilhelm Klier ist durch Grafik, Figuren-, Bildnis- und Landschaftsmalerei geprägt. Er porträtiert Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft und macht sich damit einen auch international bekannten Namen. Das Bildnis seiner Mutter ist ein herausragendes Porträt in der Egerländer Kunstgalerie. Es ist eine Leihgabe des Museums Ostdeutsche Galerie Regensburg.
Hans-Achaz v. Lindenfels