Bericht von der Lesung „Baukultur und Denkmalpflege” am 3. Dez. 2010

Lesung

Mit Literatur “dem Himmel ein Stück näher” kommen

Rainer W. Leonhardt ist Tischler, Experte für historische Baumaterialien, Dozent, Autor – und ein begeisterter Sammler von Texten aus der Weltliteratur, die sich im weitesten Sinne auf Bauen und Baudenkmäler beziehen. Am Freitagabend begeisterten er und sein Mitarbeiter Till Eichenauer bei einer Lesung im Egerland-Museum ihr zahlreiches Publikum.

Diese Lesung, eine Kooperationsveranstaltung von Egerland-Museum und Katholischer Erwachsenenbildung im Landkreis Wunsiedel, war in die Sonderausstellung “Dem Himmel ein Stück näher” eingebunden, die noch bis 11. Januar 2011 historische Fenster aus westböhmischen und bayerischen Sammlungen zeigt. Oberbürgermeisterin Dr. Birgit Seelbinder würdigte in ihrem Grußwort ausführlich den Gast aus Berlin Rainer W. Leonhardt, der sich so unterschiedlichen Sujets wie historischem Bauen und der Literatur verschrieben hat. Dass die Früchte seiner akribischen Recherchen auf höchst anschauliche Weise dargestellt werden können, bewies er an diesem Abend nicht allein: Den Löwenanteil der Lesearbeit hatte sein Mitarbeiter Till Eichenauer übernommen, der bei Leonhardt zurzeit ein Jahrespraktikum absolviert.

Wie schwierig es sein kann, auch nur sein eigenes kleines Häuschen zu bauen, zeigte als Einstieg Eugen Roths Gedicht “Baupläne”. Und dann ging es quer durch alle Jahrhunderte: Da schwärmt zum Beispiel Plinius der Jüngere bei der Beschreibung seines Laurentischen Guts so für die modernen Fenster, dass er sie ganze 14 Mal erwähnt. Da verwebt Goethe in seinen “Wahlverwandtschaften” die Tätigkeit eines Maurers kunstvoll als Metapher für menschliche Beziehungen an sich. Auch sein berühmter “Fensterblick” auf die Lavaströme am Abhang des Vesuvs (aus der “Italienischen Reise”) durfte nicht fehlen. Der gereifte Hermann Hesse beteuert im “Bilderbuch der Erinnerungen”: “In ein häßliches oder auch nur gleichgültiges Haus wäre ich jetzt nicht mehr gezogen…”

Ludwig Thomas fiktive Diskussion zwischen einem Bayern und einem “Preißn” über die künftige Nutzung eines verfallenen Klosters erforderte natürlich den Einsatz des waschechten Berliners Leonhardt: Ein Highlight, mehr Rollenspiel als Lesung. Sogar ein Literaturrätsel hatte Leonhardt dabei; die Dame aus dem Publikum, die die Textpassage dem russischen Schriftsteller Tolstoi hatte zuordnen können, bekam das Werk als Hörbuch überreicht.

Ein ausgezeichnetes mediterranes Büffet, das von Andrea Martens, einer Mitarbeiterin des Egerland-Museums, bestückt worden war, rundete den kurzweiligen Abend in gelungenster Weise ab. Humorvoll wurden die Gäste am Ende verabschiedet: Joachim Ringelnatz’ Gedicht über den Nagel, den seine Gattin, die Messingschraube, mit einem windigen Häkchen betrügt, dann aber wieder zu ihm zurückkehrt, zeigte nicht nur für Gebäude aller Art: “Ja, alte Liebe, die rostet nicht.”

Bilder: J. Geiger

Einladung zum Herunterladen.

Dem Himmel ein Stück näher” – Historische Fenster aus westböhmischen und bayerischen Sammlungen