Bauerntanz – Kunstwerk des Monats Juli 2004
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Kunst im Dienst der Volkstumspflege
Mit dem Kunstwerk Bauerntanz im Egerland, um 1931, Aquarell, 56 x 71,5 cm, von Gustav Zindel stellen wir ein Exponat vor, das im Dienst der Volkstumspflege entstand und vor diesem Hintergrund zu würdigen ist.
Der aus Rodenau bei Komotau stammende Künstler wird häufig als Erzgebirgsmaler bezeichnet. Das ist er sicherlich auch. Neben vielen anderen Werken mit Motiven aus dem Erzgebirge zeichnet das Lebenswerk des Künstler vor allem aus, dass er dem bedeutenden Mundartdichter und großen Heimatforscher Josef Hofmann (* 1858 in Karlsbad † 1943 in Karlsbad) als Illustrator diente. Die Zahl der Bücher von Josef Hofmann und anderen Heimatforschern wird mit etwa 200 angegeben. Es nimmt nicht Wunder, wenn bei der engen Zusammenarbeit zwischen Josef Hofmann und Gustav Zindel die Werke Zindels der Konzeption von Josef Hofmann entsprechen. Hofmann bemühte sich das regionale Volksleben im Egerland bzw. im Karlsbader Land und in Nord- und Westböhmen zu erfassen und zu dokumentieren. Dabei war eine gewisse Idealisierung fast unvermeidlich, obwohl die Realität keineswegs idyllisch und konfliktlos, keineswegs nur vom Wohlstand und von Volksfesten geprägt war.
Diesen Zusammenhang Zindel – Hofmann stellte eine Sonderausstellung des Egerland-Museums, die 1994 von der damaligen Museumsleiterin Elisabeth Fendl M. A. in Zusammenarbeit mit dem Museum Karlsbad als grenzüberschreitende Aktivität ausgerichtet wurde, heraus. „Nach dem ersten Weltkrieg“, so ist in dem Ausstellungskatalog erläutert, „entsteht eine neue und weit heftigere, wohl auch verzweifelte Konjunktur für Heimat.“ „Das (durch den Weltkrieg und seine Folgen) enttäuschte Bürgertum der Städte suchte sich in dem scheinbar unveränderten alten Ordnungen unterworfenen Land, seinen Ruhe- und Fluchtpunkt.“ Die mit ganz anderen Voraussetzungen begonnenen ethnologischen Forschungen Hofmanns erhalten damit im bürgerlichen Bewusstsein eine neue und verbreitete Bedeutung. Das Suchen nach heimatlicher Geborgenheit und das Wiederbeleben von altem Brauchtum und Volksleben treten in den Vordergrund. Diesem gesellschaftlichen Wandel folgte Josef Hofmann und auch Gustav Zindel.
Das Aquarell Bauerntanz im Egerland steht zusammen mit einem weiteren Exponat in der Schausammlung der Egerländer Hochzeit exemplarisch für diese auch künstlerische Entwicklung. Es gibt wieder, wie man sich in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg das ländliche Leben in der Heimat, insbesondere die Feste nach altem Brauch, vorzustellen gewohnt war. Die Bewohner eines Dorfes mit Fachwerkhäusern in der festlichen Tracht, wie sie in den einzelnen Gegenden des Egerlandes gepflegt oder wieder belebt worden war, versammeln sich auf einem Platz im Dorf. Sie feiern in der dörflichen Gemeinschaft ein Fest. Im Mittelpunkt des Geschehens und im Blickpunkt des Betrachters steht ein kleinwüchsiger Clown, dem ein Dudelsachspieler zum Tanz aufspielt. Der Clown zeigt seine Kunststücke, den Dorfbewohnern, die um ihn einen Kreis bilden, um dem auf den Händen tanzenden mit großem Interesse zuzusehen. Damit schafft sich der Künstler einen Rahmen, in dem die Männertrachten bei den einzelnen Zuschauern von allen Seiten gezeigt werden können. Es sind junge Burschen mit geschmückten Hüten und in Westen und Hemdsärmeln, die dem Clown begeistert zusehen. Zu betrachten sind alte Männer mit blauem und braunem Mantel mit rotem Innenfutter. Die Frauen sind ebenfalls in festlicher Tracht. In einer Reihe stehen Mädchen, verheiratete und alte Frauen nebeneinander und demonstrieren für den Betrachter die Unterschiede in der Festtracht je nach dem Alter. Der Künstler zaubert mit den Farben der Trachten ein fröhliches und heiteres Bild. Mit einem Burschen, der in seiner Tracht erhöht im Hintergrund steht und sich an dem Ast eines kahlen Baumes festhält, erfährt die Gruppe der Festtrachten in der linken Bildhälfte eine besondere Hervorhebung.
Entsprechend der auch vom Auftraggeber Josef Hofmann vorgegebenen und erklärten Absicht, die alten Trachten in einer Weise der Rückbesinnung auf „gute alte Zeiten“ wieder zu beleben, ist auch dieses Werk, wie die Illustrationen Zindels zu den Büchern von Josef Hofmann von einer bemerkenswerten Idealisierung geprägt. Damit steht das Werk neben dem gerade in den zwanziger Jahren begonnenen ausgeprägten Aufbruch zur Moderne, mit dem sich die bildende Kunst der Realität stellt und mit der Suche zum Wesentlichen zur Reduzierung der äußeren Erscheinung, zur Abstraktion wandelt. Der Bauerntanz im Egerland kann somit verdeutlichen, wie in völlig unterschiedlicher Weise versucht wurde, die erste große Katastrophe des 20. Jahrhunderts, den 1. Weltkrieg, zu verarbeiten und wie es dadurch auch zu den unterschiedlichsten Richtungen in der bildenden Kunst gekommen war.
Gustav Zindel ist 1883 in Rodenau bei Komotau geboren. Bereits in der Volksschule wird seine zeichnerische Begabung entdeckt und er erhält frühzeitig fachliche Anleitung durch den akademischen Maler Hans Schottenhammer, bei dem er auch eine Art Lehre machen kann. 1898 –1900 studiert er dann an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Zurück gekehrt beginnt er seine Erzgebirgsheimat im Bild festzuhalten, Landschaft und Leute darzustellen. Seinen ersten größeren Auftrag erhält er vom Erzgebirgsverein für das Huldigungsbild im Keilberg-Hotel, das 1908 fertig gestellt wird und das im Egerland-Kulturhaus gezeigt wird. Vom Verein zur Förderung deutscher Wissenschaft und Kunst und Literatur in Böhmen erhält er ein Stipendium, das ihm eine Reise nach München und in die Alpen ermöglicht. 1909 ist die erste Ausstellung seiner Werke in Komotau. Die Bekanntschaft mit Josef Hofmann bestimmt dann sein künstlerisches Schaffen. Er setzt die Forschungsergebnisse dieses Heimatforschers nach dessen Vorgaben und Photographien in grafische Darstellungen um. Neben den Buchillustrationen werden die Werke in Zeitschriften und Postkarten vervielfältigt, so dass er mit seinen Werken einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht. 1927 heiratet der Künstler, 1929 übernimmt er die väterliche Landwirtschaft und kauft außerdem das Nachbaranwesen, eine Gastwirtschaft, die als Zindel-Baude zu einem beliebten Ausflugsziel wird. „Was der Erzgebirgsdichter und Sänger Anton Günther in Liedern ausdrückt, hält Gustav Zindel im Bild fest“, wird zu einem geflügelten Wort im Erzgebirge. Nach 1945 muss die Familie als Landarbeiter in Olesna leben, die Söhne werden im Radium-Bergbau in St. Joachimsthal dienstverpflichtet. Eine Krankheit verhindert die Vertreibung und 1946 wird die Übersiedelung nach Böhmisch-Wiesenthal im Erzgebirge genehmigt. Dort arbeitet Zindel bis er 1959 in Weipert stirbt und in Böhmisch-Wiesenthal beigesetzt wird.
Hans-Achaz v. Lindenfels