Baronin Herzogenberg – Kunstwerk des Monats November 2002
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Traumhafte Visionen
Mit dem Porträt Baronin Herzogenberg, 1967, Mischtechnik auf Hartfaser, 100×66 cm, des Malers Herbert Kreil stellen wir ein Gemälde aus der Zeit einer wichtigen Schaffensperiode des Künstlers vor. 1964 sorgte der im damals noch als Künstler-viertel von München zu bezeichnenden Schwabing arbeitende Künstler mit einer „traumklaren Herbstlandschaft“ für einen „Aufruhr im Herbstsalon“, wie eine Tageszeitung zu berichten wusste. Im gleichen Jahr erhielt er bereits im Alter von 35 Jahren für sein künstlerisches Werk den Förderpreis.
Phantasievolle Träume zeichnen das Werk von Herbert Kreil aus. Hoch oben in einem Eckturm eines Schwabinger Mietshauses hatte er einen Platz zum Träumen und für seine Phantasien gefunden. Dieses Träumen war aber auch immer mit Visionen und philosophischem Denken verbunden. In seinem Atelier hing über der Eingangstüre ein Gemälde, das er hätte restaurieren sollen, das aber dann fester Bestandteil seines Ateliers wurde und zu gleich ein Sinnbild für sein künstlerisches Werk: Der gefesselte Prometheus. Für ihn war der Prometheus-Mythos zutiefst visionär. Die Themen, mit denen er sich auseinander setzte, führten zu seinem Beinamen „der Maler-Philosoph“.
Vor diesem Lebenshintergrund wird es verständlich, wenn die Werke von Herbert Kreil keiner Stilrichtung zuzuordnen sind. Das gilt auch für das Porträt einer jugend-ichen Frau, der damals noch jungen und später wegen ihrer großartigen historischen Ausstellungen berühmten Historikerin Baronin Herzogenberg. Im Vordergrund bestechen die klaren – fast fotografisch genauen – Konturen der dargestellten Person. Als Hintergrund entwickelt sich ein blumiger Ton in Ton gehaltener Wandteppich, der aber den Körperumriss der Porträtierten frei lässt, so dass die Wirkung eines dunklen Schattens entsteht. Mit seiner Formenvielfalt und seiner dunkelroten Farbstruktur ist dieser Hintergrund nicht nur ein Beiwerk zu dem dargestellten menschlichen Körper. Vielmehr wird dieses Blumenmeer zu einem wichtigen Bestandteil des Bildes selbst. Es entsteht der Eindruck, die junge Frau wird von dieser Blumenornamentik erfasst, umhüllt und getragen. Das Frauenbildnis erhält damit etwas Visionäres. Auch die Haltung der Dargestellten, die im Profil gezeigt wird, hat etwas Visionäres. Sie blickt entschlossen nach vorn. Der hochragende Hinterkopf und die mit einer schwungvollen Welle über den Kopf hinaus nach vorn strebenden Haare beherrschen das Gesicht und machen es interessant, obwohl es eher schemenhaft gehalten ist.
Im Rückblick auf den Lebensweg der Dargestellten könnte das Gemälde als eine eindrucksvolle Vision für die am Anfang einer aufregenden und ausgezeichneten Karriere stehende junge Frau gewertet werden. Es steht zugleich in gewisser Weise auch am Anfang einer künstlerischen Entwicklung des Malers Kreil, die sich ins Visionäre und Traumhafte in vorher nie geahnter Weise zu neuen Höhepunkten steigert. So hat das Werk sowohl für die Dargestellte als auch für den Künstler eine sehr persönliche Aussage, die weit über den Gehalt eines Porträts hinausreicht.
Herbert Kreil ist 1928 in Pilsen geboren seine Eltern stammen aus Görkau im Egerland. Er besuchte in Prag die Oberschule und in Budweis die Handelsakademie. Nach Kriegsdienst und Vertreibung beginnt er 1947 in Schloss Weikersheim als Autodidakt mit dem Restaurieren alter Bilder. Von 1951 bis 1955 studiert er an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Professor Hermann Kaspar. Nach dem Studium lässt er sich in seinem Atelierturm nieder und arbeitet als frei schaffender Künstler in München-Schwabing. Seit 1954 stellt er regelmäßig im Haus der Kunst in München aus und macht zahlreiche Ausstellungen und Studienreisen nach Italien, Jugoslawien, Griechenland, Österreich, Holland, Belgien und Frankreich. In den 1960er Jahren entstehen surreal beeinflusste Werke wie „Der graue Platz“, „Das blaue Haus“, Ein dunkler Tag“. „Rot verschlingt die Zeit“ wird 1975 begonnen und 1982 abgeschlossen. In den 1970er Jahren beginnen seine Traumbilder, beeinflusst von Sheherazade, Engelsmotiven, Traumwandlern und Gestalten der griechischen Mythen, vor allem auch als Wandmalereien im Haus seines Ateliers. 1990 stirbt der „Maler-Philosoph“ Herbert Kreil in München.
Hans-Achaz v. Lindenfels