Auf den Spuren eines Adelsgeschlechts – die Notthaffte in Böhmen und Bayern
Aktuelle Sonderausstellungen im Egerland – Museum
„Auf den Spuren eines Adelsgeschlechts –
Die Notthaffte in Böhmen und Bayern“
Ein großes Forschungs- und Ausstellungsprojekt im Egerland-Museum Marktredwitz
gefördert durch die Europäische Union
Katalog zur Ausstellung
Warum sind die Notthaffte für unsere Grenzregion interessant?
Die Verbindung der Städte Marktredwitz und Eger ist tief in der gemeinsamen Geschichte verwurzelt. Beide sind daher für eine historisch ausgerichtete Ausstellung wie geschaffen. Am Beispiel der Adelsfamilie der Notthaffte, die ihren Ursprung im Egerland haben, soll gezeigt werden, wie das adelige Gesellschaftsleben in den vergangenen Jahrhunderten über die heutigen Grenzen hinweg aussah. Was leisteten im Mittelalter die Ministerialen bei der Besiedelung und Urbarmachung des Egerlandes, das damals auch Teile des heutigen Landkreises Wunsiedel einschloss? Wie erfolgte ein über Jahrhunderte andauernder Besiedlungsprozess im Grenzraum zwischen Oberfranken, der Oberpfalz und Böhmen? Wie lebten die Notthaffte in den Burgen und Schlössern und was hatten sie für Herrschaftsansprüche, Rechte und Pflichten? Welche Spuren hinterließen sie in der Sorge um ihr Seelenheil? Diese und weitere Fragestellungen werden im Rahmen des grenzüberschreitenden Projekts aufgearbeitet. Damit lassen sich die historischen Verflechtungen „über alle Grenzen hinweg“ am Beispiel der Adelsfamilie der Notthaffte anschaulich nachvollziehen. Desweiteren wird verdeutlicht, dass die heimatvertriebenen Egerländer, die Tschechen, die heute im Egerland leben, die Oberfranken und Oberpfälzer eine gemeinsame Geschichte besitzen. Die Ausstellung ist zeitgleich mit unterschiedlichen Zeitschnitten in Eger und Marktredwitz zu sehen. In Eger (Cheb) wird das Wirken der Notthaffte im Mittelalter ab dem 12. Jahrhundert präsentiert. Ausstellungsorte sind hier das Regionalmuseum (Krajské muzeum Cheb)und die Doppelkapelle der Egerer Burg. In Marktredwitz konzentriert sich das Egerland-Museum auf den Zeitraum zwischen dem Ende des Mittelalters bis zum 20. Jahrhundert.
Blick in die Ausstellung, Inszenierung “Biedermeier – Zimmer”
Ein umfangreicher (692 S.) bebilderter und zweisprachig verfasster Begleitkatalog vertieft die Inhalte der Ausstellung und ist im Egerland-Museum für 10,- Euro erhältlich.
Die Keimzelle liegt im Egerland
Die Notthaffte waren ein Adelsgeschlecht, das über viele Jahrhunderte in der heutigen Grenzregion zwischen Bayern und Böhmen gelebt hat. Insbesondere im Egerland und in den Landkreisen Wunsiedel, Tirschenreuth oder Cham haben sie ihre Spuren hinterlassen.
Im 12. Jahrhundert entstanden unter dem Markgraf von Nabburg und dessen Gefolgschaft, den Ministerialen, die Kaiserburg Eger. Eines dieser Ministerialengeschlechter im Egerland waren die Notthaffte. Das Burgennetz im Umkreis wurde weiter verdichtet, um das gewonnene Neuland zu sichern. Auch große Teile des heutigen Landkreises Wunsiedel gehörten damals zu dieser Keimzelle des Egerlandes.
Die Notthaffte gründeten im 13. Jahrhundert die Burgen Wildstein (Skalná) und Falkenau (Sokolov). Zu diesen Sitzen gehörten auch die umliegenden Gebiete mit etlichen Dörfern. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts erhielten die Notthaffte einen ansehlichen Besitzzuwachs im Fichtelgebirge. In dieser Zeit begannen sie sich nach Westen zu orientieren und von den Besitzungen in Wildstein und Falkenau zu lösen. Seit 1310 sind Familienmitglieder als Reichsforstmeister im Egerer Reichsforst bezeugt. Dieses Amt war im Mittelalter eine lukrative Stellung, die mit bedeutendenden Einnahmen verbunden war: der Wald bildete eine wichtige Rohstoffquelle hinsichtlich Holzgewinnung, Erzverhüttung oder Wachs- und Honigproduktion. Mit der Burg Thierstein errichteten die Notthaffte ihren Verwaltungssitz (1340) inmitten dieses Waldgebiets. Es umfasste auch Teile des heutigen Landkreises Wunsiedel bzw. des Fichtelgebirges. Siedlungshistorisch gesehen, gehörte diese Gebirgsregion also zum Egerland. Das belegt, dass es während des Mittelalters keine starren Grenzen zwischen Ost und West gegeben hat.
Porzellantasse mit Miniaturmalerei
Darstellung von Schloss und Dorf Friedenfels
1840
Nach ihrem Rückzug aus dem Egerland verbreitete sich die Familie über das Fichtelgebirge hinaus in der Oberpfalz und in Niederbayern. Es entstanden drei Hauptlinien: Die Wernberger mit der Burg Wernberg bei Weiden und die Weißensteiner, deren Stammsitz die heutige Ruine Weissenstein im Landkreis Tirschenreuth ist. Die dritte Linie nennt sich zunächst nach der Burg Bodenstein bei Nittenau. Im 19. Jahrhundert gingen infolge der allgemeinen sozialen Umwälzungen und der prekären Finanzlage der Familie deren letzte große Besitzungen verloren. 1952 starben die Notthaffte im Mannesstamm aus.
Die Ausstellung im Egerland-Museum Marktredwitz
Die grenzüberschreitende historische Vernetzung soll mit dem Besuch beider Ausstellungen in Marktredwitz und Eger auch räumlich nachvollzogen werden. Ein Synergieffekt mit der zeitgleichen grenzüberschreitenden Landesgartenschau ist angestrebt. So hat man mit der Eintrittskarte zur Landesgartenschau auch freien Eintritt in die Notthafft-Ausstellung.
Zu den wertvollen Hinterlassenschaften der Familie Notthafft zählt das Familienarchiv, das heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München verwahrt wird. Es umfasst eine Vielzahl von Urkunden, Akten und Bänden. Die Auswertung dieser Quellen bildete die wissenschaftliche Grundlage für die Ausstellung und den Katalog. Besonders erfreulich ist es, dass auch die Nachkommen der Familie Notthafft ihr wertvolles Inventar wie Gemälde, Bilder, Möbel, Waffen und vieles mehr für die Ausstellung zur Verfügung stellen. Daneben sind noch bedeutende Exponate von zahlreichen anderen Museen, Bibliotheken und Kirchen im Egerland-Museum zu sehen. Abgesehen von diesen Ausstellungsstücken von insgesamt 35 Einzelleihgebern dürfen sich die Besucher auf eine aufwändig inszenierte Sonderausstellung freuen.
Blick in die Ausstellung
Projektträger ist die Stadt Marktredwitz. Ihre Projektpartner sind das Bezirksarchiv und das Regionalmuseum Eger (Státní okresní archiv Cheb und Krajské muzeum Cheb) sowie das Egerland-Museum Marktredwitz, das mit der Koordinierung und Durchführung des Projekts beauftragt ist. Während der Ausstellung (21.05. bis 05.11.2006) werden eine Vielzahl von Begleitveranstaltungen geboten wie Vortragsreihen zu Fachthemen, verschiedene Workshops sowie ein museumspädagogisches Programm für deutsche und tschechische Schulklassen.
Eröffnung der Notthafft- Ausstellung im Egerland-Museum am 20.05.06
Volker Dittmar M.A.
Museumsleiter