Anna Zeischka – Kunstwerk des Monats Januar 2006
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Die Ausstrahlung und Würde eines gealterten Antlitzes
Als Kunstwerk des Monats Januar 2006 wird das Porträt Anna Zeischka, 1982, Federzeichnung, 29 x 20,5, von Maximilian Hüttisch vorgestellt. Die Bezeichnung des Werkes ist durch den Künstler ergänzt durch den Zusatz “103 Jahre alt – aus Elbogen”. Das Werk stammt aus der Schausammlung der Erinnerungskunst, die der Egerländer Kunstgalerie angegliedert ist.
Das in Linz an der Donau gefertigte Porträt zeigt den Kopf einer alten Frau en face. Der Frauenkopf ist vor allem durch eine auffallende Fülle des Kopfhaares, das nach oben hoch gekämmt ist, gekennzeichnet. Dieser Haarkranz ziert ein Gesicht, das durch Falten und Furchen vom Alter gezeichnet ist. Unter ebenfalls hochgezogenen Augenbrauen liegen die Augen unter Hautfalten, die jeweils einen Teil der Augäpfel überlappen. Die Augen schauen den Betrachter direkt und wie unverwandt an. Die Stirne und vor allem die rechts im Bild liegende linke Schläfe sind von Falten durchzogen, die über die Backenknochen hinweg bis zum Hals reichen. Die kräftige gerade Nase ist stark ausgeprägt. An der rechten Seite lugt unter dem Haaransatz eine schmale Ohrmuschel hervor. Unter der Nase ist ein gerader Mund mit schmalen Lippen zu erkennen. Die Lippen sind leicht geschürzt, wie wenn das Atmen durch den Mund erfolgen müsste. Das Kinn ist kräftig ausgeprägt und hebt sich deutlich vom faltigen Hals ab. Von unten her wird der Kopf durch einen breiten Kragen eines Kleides begrenzt, der vorn mit einer Blütenbrosche geschmückt ist.
Mit dem Duktus der Linienführung und dem Spiel von Licht und Schatten wird ein ausdrucksstarkes Gesicht präsentiert, dem zwar das Alter anzusehen ist, das aber auch durch klaren Ausdruck besticht. Es strahlt Ruhe aus, zeigt aber auch wie Schmerz und Trauer deutliche Spuren hinterlassen haben.
So regt das Werk des Künstlers dazu an, über die Geheimnisse des menschlichen Antlitzes und das menschliche Leben nachzudenken, sich gefangen nehmen zu lassen von der Würde und der Last des Alters. Der Künstler hat in seinen Werken einen eigenen Stil entwickelt. In seinen Zeichnungen ist das Flair der dargestellten Städte eingefangen. Seine Porträts zeigen das Schicksal der dargestellten Menschen. In seinen Werken gelingt es ihm, das Realistische zu überwinden und das Transzendente einzufangen. Dies trifft auch für das Porträt von Anna Zeischka in besonderer Weise zu.
Maximilian Hüttisch ist 1911 in St. Joachimsthal geboren. Nach einer Lehre als Porzellanmaler, Graveur und Musterzeichner besucht er die Staatsfachschule für Porzellanmacher in Karlsbad und anschließend die Höhere Kunstgewerbe- schule in Prag. Dort studiert er an der Kunstakademie und wird Meisterschüler von Professor Nowak. Bei Oskar Kokoschka besucht er Abendseminare. Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit ist Hüttisch von 1939 an dann im Schuldienst in Asch und in Prag tätig und leitet Lehrgänge für bildende und angewandte Kunst.
1942 wird er zum Militärdienst eingezogen. Mit der Vertreibung verliert er sein gesamtes bis dahin entstandenes künstlerisches Werk.
Nach der Vertreibung kommt er nach München und beginnt erneut mit freiberuflicher Tätigkeit neben einer Anstellung beim Münchner Stadtanzeiger. Er bietet an der Volkshochschule München Kurse für angewandte und bildende Kunst an. Er ist dann Kunsterzieher am Gymnasium in Alsfeld in Hessen, behält aber sein Atelier in München bei. Es entstehen in dieser Zeit vor allem
Federzeichnungen mit heimatlichen Motiven, aber auch zahlreiche Städteansichten und Porträts. Mit breiter Pinselführung, surrealen, mythischen und mystischen Elementen bannt der Künstler die uralten Ängste und Sehnsüchte, die den aufgeklärten Menschen des 20. Jahrhunderts immer noch bewegen, auf die Leinwand.
Hüttisch beteiligt sich an Ausstellungen in der Tschechoslowakei, in Deutschland und Österreich, dann in Mittel-England, Dänemark und Frankreich, sowie in Italien und in den USA. Hüttisch erhält vor allem mit seinem zeichnerischen Werk Anerkennung, was durch die ihm verliehnen Preise belegt wird: Insignien-Preis der Karlsuniversität Prag (1937), Preis der Prager Kunstakademie (1939), Gran Premio della Citta Eterna Roma (1972), Goldene Palme der Schönen Künste (1976), Medaille des Grand Prix Humanitaire de France (1977), Plakette der Seliger-Gemeinde (1981), „Ehrenbürgerschaft“ des Heimatkreises St. Joachimsthal.
Maximilian Hüttisch verstirbt 1988 in München. Nach seinem Tod wird dem Künstler im Kulturhaus von St. Joachimsthal eine Einzelausstellung ausgerichtet. Für die Schausammlung der Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz hat die Witwe Gisela Hüttisch zwei Gemälde als Leihgaben zur Verfügung gestellt. In 2003 wurde im Grafik-Kabinett der Kunstgalerie mit Unterstützung der Witwe eine Sonderausstellung durchgeführt.
Hans-Achaz v. Lindenfels