17/1999 – Kunstwerk des Monats Dezember 2005
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Transzendentales und Ordnung in Farbe, Linie und Fläche
Als Kunstwerk des Monats Dezember 2005 wird ein Hauptwerk des Grafikers und Malers Kurt Teuscher (* 1921 Radonitz) aus seiner bis 15. Januar 2006 laufenden Sonderausstellung im Grafik-Kabinett der Kunstgalerie vorgestellt. Das Werk hat keinen Titel und ist mit Nr. 17/1999, Acryl auf Leinwand, 120 x 80 cm, bezeichnet. Es handelt sich um ein Gemälde der Konkreten Kunst, wie die insgesamt 30 Exponate, die in der Sonderausstellung gezeigt werden.
Die Konkrete Kunst entwickelte sich bereits in den 1920er und 1930er Jahren zunächst in Frankreich durch die Abstraction-Création. Unter dem Eindruck der Katastrophe des 1. Weltkriegs und der durch Not gekennzeichneten Nachkriegszeit suchten Künstler eine neue Bildsprache. Sie bildet bewusst einen Gegensatz zu der bis dahin dominierenden gegenständlichen Darstellung. Diese Bildsprache begnügt sich aber nicht mit der bloßen Abstraktion. Die neue Bildsprache geht darüber hinaus. Sie bedient sich der Arten von Mitteln, die allgemein verstanden werden und die für die verschiedenen Kulturen der Völker verbindend sind. So werden Linien, Farben, Flächen, Räume als autonome Mittel eingesetzt. Die Vielfalt der Kombinationen kennt keine Grenzen. Die konkrete Kunst soll universell sein. Sie wird vollständig im Geist konzipiert und gestaltet, ohne lyrisches, dramatisches und symbolisches Beiwerk. Vielmehr entsteht ein denkbar einfaches, exakt klares, visuell kontrollierbares Produkt aus Fläche, Linien und Farbe.
Das „Lesen“ der Werke wird zu einer sinnlichen Erfahrung in der Wahrnehmung von Farben, Linien und Flächen. Der Betrachter soll sich zwang- und vorurteilslos auf einen Dialog mit dem Werk einlassen, nur dann wird sich ihm die Bildsprache erschließen. Eugen Gomringer hat der Konkreten Kunst in der bildenden Kunst die Konkrete Kunst der Poesie hinzugefügt. Er hält den Künstler Kurt Teuscher für eine neue Phase der Konkreten Kunst so frei, wie es vielleicht nur die ersten Pioniere waren. „Ein jedes seiner Bilder zeugt für eine neue Lust am Erfinden. Das gibt ihnen die Legitimität der Erneuerung im weiten Feld der Konkreten Metamorphosen“.
Bei der Auseinandersetzung mit der Konkreten Kunst kommen einem die Worte des in Franzensbad geborenen August Brömse (1873-1925), der als bedeutender Lehrer in Prag für den Aufbruch der Egerländer Künstler in die moderne Kunst steht, in den Sinn:
„Erst wenn einmal der einfache Weg der Erkenntnis betreten wird, dass eine Linie alle anderen Linien enthält, dass die Linie verstanden werden muss, damit man das Kunstwerk versteht, wenn einmal wieder gelehrt wird, wie sehr jede Linie Kraft ist, die richtig angewandt alles sagen muss, Freude und Schmerz ausdrückt, dann beginnt eine Zeit der Klarheit.“ Sein Schüler Richard Fleißner (1903-1989), der Stifter der Egerländer Kunstgalerie, setzt diese Erkenntnis auf seine Weise in seinen Bildern um.
Kurt Teuscher, der dieser Erkenntnis noch radikaler folgt, sagt über seine Werke: „Ich versuche durch prägnante Formen und Farben einen Zusammenklang zu erreichen. So sollen meine Bilder auch Zeichen der Stimmung sein und der Kontemplation dienen, und sofern es mir gelingt, das Transzendentale ausdrücken. Durch meine Ordnung widersetze ich mich dem Chaos der jetzigen Welt.“
Kurt Teuschers Werke können, wie Gerhard Leistner (Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg) in einer Monographie 2003 ausführt, menschliche Stimmungen assoziieren, nämlich einerseits Ordnung, Ruhe und Harmonie, andererseits Momente der Überraschung, Gegensätze und Spannungen. Es ist die reife Künstlerpersönlichkeit, wie Eugen Gomringer feststellt, die Werk um Werk entstehen lässt. Er kennt nur Originale. Ableitungen Variationen, Module, Fortsetzungen durch gleiche Strukturen sind nicht seine Art.
Das Bild mit der Bezeichnung Nr. 17/1999 ist eine rechteckige Fläche in einem kräftigen Blau, das eine Mischung zum Violetten aufweist. Exakt in der Mitte verläuft senkrecht ein schmales Band das nach einer mathematischen Formel von unten nach oben in einen hellblauen, gelblichen und rötlichen Abschnitt unterteilt ist. Der hellblaue Abschnitt ist der Kürzeste und der rötliche der Längste. Die gleichmäßig blauen klar begrenzten rechteckigen Flächen erzeugen eine überraschende Spannung und bewirken gleichzeitig
Zusammen mit dem senkrechten Band mit den drei Farbstufen eine Harmonie und Ruhe, die zur Meditation führt. Diese klare Ordnung kann zu einer bemerkenswerten Konzentration der Sinne und Gedanken verführen. Die Bildsprache gewinnt an Bedeutung für die Stimmung des Betrachters.
Kurt Teuscher beginnt nach Krieg, Gefangenschaft, Verlust der Heimat und einem Studium an der Werkkunstschule Wiesbaden (1949 – 1953) als Gebrauchsgrafiker in Hamburg, Köln und Frankfurt/Main. Seit 1982 arbeitet er als freischaffender Künstler zunächst in Weilheim und Regensburg und seit einigen Jahren in Selb. Seit 1994 nimmt er an den internationalen Symposien in Okuninka teil. 1995 erhält er den Kunstpreis des Landkreises Dillingen. Seit 1999 ist er mit zwei Werken in der Egerländer Kunstgalerie vertreten. Seine Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen auch in USA, Polen und den Niederlanden.
Seit 1990 werden für Kurt Teuscher zahlreiche Einzelausstellungen auch in Frankreich und Tschechien durchgeführt. Er gehört der Künstlergilde Esslingen, dem Kunstverein Hochfranken, dem Arbeitskreis Egerländer Kulturschaffender, dem Kunst- und Gewerbeverein Regensburg und dem BBK Niederbayern/Oberpfalz an. Werke des Künstlers befinden sich in den Museen für Konkrete Kunst in Ingolstadt, Erfurt und Hünfeld sowie in Chelm und Swieradow Zdroj (Polen), außerdem u. a. in Bayerische Staatsgemäldesammlung München, Bayernwerke München, Kunst- und Gewerbeverein Regensburg, Onlinegalerie Birner Regensburg, Stadt Weilheim, Wertingen und Weiden Oberpf., Universitätsklinikum Regensburg, Stadtsparkasse Regensburg und private Sammlungen. Die zwei Werke in der Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz sind Leihgaben des Künstlers.
Hans-Achaz v. Lindenfels